Ein nationalsozialistisch-katholisches Syndrom

Zugänge zum Werk von Thomas Bernhard

„Das katholisch-nationalsozialistische Element, die katholisch-nationalsozialistischen Erziehungsmethoden sind aber die in Österreich normalen, die üblichen, die am weitesten verbreiteten“.
(Thomas Bernhard in Auslöschung)
 
Sätze wie dieser finden sich im autobiographischen Werk sowie in dem Roman Auslöschung vielfach. Sie zeigen, dass die Verbindung von Nationalsozialismus und Katholizismus im Werk von Thomas Bernhard eine wesentliche Rolle spielt. Die Publikation zeichnet die Entwicklung dieses Themas nach: von der Auseinandersetzung mit religiösen Motiven in der frühen Lyrik über die zentrale Rolle des nationalsozialistisch-katholischen Syndroms in den autobiographischen Schriften bis zur Auseinandersetzung damit im späten Roman Auslöschung. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht dabei nicht so sehr eine skandalisierte oder skandalisierende Ineinssetzung von Katholizismus und Nationalsozialismus, wie sie häufig in der Rezeption wahrgenommen wurde. Der Fokus des Interesses liegt vielmehr auf Bernhards spezifisch literarischer Perspektive: auf seiner hohen ästhetischen Sensibilität für die existentielle Situation der mit Leiden und Tod konfrontierten Menschen.

Es lässt sich feststellen, dass Bernhard in seinem frühen Werk stärker auf religiöse Begriffe und Inhalte bezogen war, während er später v.a. das gesellschaftlich prägende Phänomen des Katholizismus als institutionalisierte Religion und deren Auswirkungen auf den Einzelnen beschrieb. Auffallend ist, dass er geradezu leitmotivisch seine Auseinandersetzung mit dem Katholizismus mit dem Fortleben des Nationalsozialismus in der österreichischen Gesellschaft verbindet. Im Buch wird diese Verbindung mit dem Begriff eines „Syndroms“ zu erfassen versucht, der in Medizin, Psychologie sowie Sozialwissenschaften Anwendung findet. In diesem Sinne wird die Verknüpfung von Nationalsozialismus und Katholizismus in Thomas Bernhards Werk als die Darstellung einer krank machenden Verknüpfung von zwei Symptomkomplexen dargelegt. Folgen dieser Verknüpfung sind Erinnerungslosigkeit sowie die in der kollektiven Amnesie verlorene Fähigkeit, das Leiden Anderer wahrzunehmen und Mitleid zu empfinden. Dabei soll die auch im späteren Werk nicht aufgelöste Ambivalenz eines vom katholischen Christentum geprägten und zugleich von seinem Versagen abgestoßenen Schriftstellers sichtbar gemacht werden.

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