Fluchtbewegungen Salzburg 2015

Ursula Liebing – Josef P. Mautner

„… es war für uns alle eine Selbstverständlichkeit zu helfen.“

Fluchtbewegungen 2015 in Salzburg – menschenrechtliche und zivilgesellschaftliche Perspektiven

„Mit uns Flüchtlingen hat sich die Bedeutung des Begriffs ,Flüchtling‘ gewandelt, … so dass das Wort Flüchtling, das einst einen fast Ehrfurcht gebietenden Klang hatte, die Vorstellung von etwas zugleich Verdächtigem und Unglückseligem … erregt.“

Hannah Arendt in „We Refugees“ (1943)

Dieser Artikel bietet eine Darstellung und Reflexion jener Fluchtbewegungen, die im Jahre 2015 in Salzburg stattfanden. Die Darstellung erfolgt aus einer zivilgesellschaftlichen Perspektive. Sie geht von den Wahrnehmungen und Erfahrungen der MitarbeiterInnen von Nichtregierungsorganisationen und von Engagierten in Netzwerken aus. Diese Menschen sind z.T. bereits seit vielen Jahren in der kommunalen und regionalen Menschenrechtsarbeit in Salzburg und in diesem Kontext eben auch in der „Flüchtlingsarbeit“ aktiv. Die Reflexion der Fluchtbewegungen erfolgt vor dem normativen Hintergrund der in der „Genfer Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge“, in der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ und der „EU-Grundrechtecharta“ festgelegten Grund- und Menschenrechte.

Seit dem Jahr 2000 ist in Salzburg das zivilgesellschaftliche Netzwerk „Plattform für Menschenrechte“ aktiv. Es dokumentiert Menschenrechtsverletzungen, Zugangsbeschränkungen zu Grundrechten und Lebenssituationen besonders verletzlicher Gruppen im Bundesland Salzburg. Eine besonders vulnerable Personengruppe, deren Situation die Plattform im jährlich erscheinenden Salzburger Menschenrechtsbericht dokumentiert, sind die Geflüchteten.1 Seit zwei Jahren wird diese Dokumentation durch die Ergebnisse der Salzburger Flüchtlingsforen ergänzt, in denen Geflüchtete selbst über ihre Lebenssituationen berichten. Dieses kontinuierliche Monitoring bildet die Basis und den Hintergrund für die im Folgenden beschriebenen Beobachtungen und Reflexionen.2

Flüchtlingsstatus und Asylinstitute – grundsätzliche Überlegungen

Fragen des Flüchtlingsstatus und der Asylgewährung sind immer wieder und spätestens seit den 90er Jahren Gegenstand kontrovers geführter Debatten in der österreichischen Gesellschaft: ein Umstand, der sich nicht zuletzt auch in den zahlreichen Änderungen der entsprechenden Gesetzesmaterien niederschlägt. 2015 haben diese Diskussionen noch einmal deutlich an Schärfe und Heftigkeit zugenommen.

Einer Reflexion über die Fluchtbewegungen, von denen Salzburg im Jahr 2015 mit betroffen war, müssen daher Überlegungen zu den beiden Begriffen vorangestellt werden. Art. 1, Abschnitt A 2 der Genfer Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge umfasst eine allgemeine und für die Unterzeichnerstaaten gültige Beschreibung des Flüchtlingsstatus – vor allem im Hinblick auf die anzuerkennenden Fluchtgründe:

„Als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens ist anzusehen, wer sich (…) aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.“3

Ob und inwieweit diese Beschreibung – v.a. mit ihrer Beschränkung auf die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ – noch den verbreitetsten Ursachen der großen Fluchtbewegungen der Gegenwart gerecht werden kann, ist Gegenstand breiter internationaler Debatten gewesen und soll hier nicht weiter vertieft werden.4 Festzuhalten ist jedenfalls, dass auch in Österreich die Debatte um Flüchtlingsstatus und Asylgewährung nach 2015 teilweise in die entgegengesetzte Richtung gekippt ist und die Legitimität des jedem und jeder einzelnen Geflüchteten im Sinne der Genfer Konvention zustehenden Individualrechtes auf Asyl in Frage gestellt wurde; so geschehen in der Debatte um „Asylobergrenzen“. In Reaktion auf das Jahr 2015 mit 90.000 Asylanträgen wurde von der österr. Bundesregierung im Jänner 2016 eine „Obergrenze“ für 2016 von 37.500 eingezogen und für das Jahr 2017 eine weitere Begrenzung auf 35.000 festgelegt.5

Diesem Trend einer sukzessiven Verengung des zwischenstaatlich wie nationalstaatlich festgeschriebenen Rechts auf Asyl steht die humanistische und religiöse Tradition in der europäischen Geschichte entgegen, in der es seit der Antike Asylinstitute nicht nur auf staatlicher, sondern immer auch auf gesellschaftlicher Ebene gegeben hat und mit dem „Kirchen- und BürgerInnenasyl“ auch noch immer gibt.6

Gerade vor diesem Hintergrund scheint es uns wesentlich, den Begriff des Asyls nicht auf seine aktuelle und derzeit immer enger werdende rechtliche Basis zu reduzieren, sondern zumindest in Umrissen auch seine religiösen und sozialen Zusammenhänge, seine kulturellen und gesellschaftlichen Facetten zu beleuchten. Denn das Asyl als Institut der garantierten Schutzgewährung ist in den Facetten seiner Semantiken und seiner Anwendung wesentlich ausdifferenzierter als das jeweilige im Fremden- und Asylrecht der europäischen Staaten festgelegte Verständnis. Wir werden deshalb im Anschluss an unsere Darstellung der Fluchtbewegungen 2015 in Salzburg aus menschenrechtlicher und zivilgesellschaftlicher Sicht nochmals auf die Dimension von BürgerInnen- und Kirchenasyl auf zivilgesellschaftlicher Ebene zu sprechen kommen – im Sinne einer kritischen Ergänzung, nicht eines prinzipiellen Widerspruchs zu rechtsstaatlichen Verfahren.

Lebenssituationen und rechtlicher Status von Geflüchteten in Salzburg 2015

Die heute weithin als „Ausnahmesituation“ angesehenen Fluchtbewegungen im Jahr 2015 wiesen zwar spezifische Charakteristika auf, die sich von der Situation davor und danach deutlich unterschieden, wie etwa die außergewöhnlich große Zahl von Flüchtenden, die durch Salzburg auf dem Weg nach Deutschland oder in die skandinavischen Länder durchgereist sind.7 Gleichzeitig zeigen sich aber deutliche Kontinuitäten in den Fluchtbewegungen sowie in der Flüchtlingspolitik: Auch vor 2015 hat es eine Transitbewegung durch Salzburg in Richtung nördliches Europa gegeben, wie es sie auch heute noch gibt. Defizite in der Aufnahme und Versorgung von Asylwerbenden, die in Salzburg um Schutz angesucht haben, sind, ebenso wie die damit zusammenhängenden menschenrechtlichen Problemlagen, im Jahr 2015 nicht völlig neu aufgetreten, wurden jedoch in besonderer Schärfe sichtbar, nicht zuletzt weil das „Dublin“-System ausgesetzt war.

Die menschenrechtlichen Problemlagen, die die flüchtenden Menschen betreffen, hängen unter anderem davon ab, mit welchem aufenthaltsrechtlichen oder asylrechtlichen „Status“ sie in Salzburg aufhältig sind: als sogenannte „Transitflüchtlinge“, als Antragstellende im Zulassungsverfahren, als AsylwerberInnen, deren Antrag auf internationalen Schutz inhaltlich geprüft wird, als anerkannte Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention, als subsidiär Schutzberechtigte, als „Illegalisierte“ oder als de facto nicht Abschiebbare. Von diesem Status hängt die Frage der behördlichen und politischen Zuständigkeit für die Versorgung und die Aufnahmebedingungen der Menschen ab: Die sogenannten Transitflüchtlinge reisen ohne einen offiziell dokumentierten Aufenthaltstitel durch Österreich und Salzburg, in der Versorgung engagierten sich Stadt Salzburg, Land und Bund. Mit dem Einbringen eines Antrags auf internationalen Schutz (Asylantrag) beginnt das Zulassungsverfahren, in dem geprüft wird, ob Österreich für die inhaltliche Prüfung des Antrags auf Asyl zuständig ist bzw. in das Verfahren eintritt oder ob ein anderes europäisches Land aufgrund einer vorherigen Registrierung zuständig ist (Dublin-Verfahren). Während des Zulassungsverfahrens sind die Bundesbehörden für die Grundversorgung der Asylsuchenden zuständig. Sobald eine Zulassung zum Asylverfahren erfolgt ist, ist für die Versorgung und Umsetzung von Mindeststandards der Aufnahme jenes Bundesland zuständig, dem der oder die Asylsuchende zugewiesen wird. Die Zuweisung erfolgt entsprechend einer zwischen Ländern und Bund vereinbarten „Quote“, deren Erfüllung immer wieder Gegenstand politischen Streits ist.8 Vom Verfahrensausgang hängt schließlich ab, ob und ggfs zu welchen staatlichen Leistungen oder Sozialtransfers die Betroffenen und ihre Angehörigen Zugang haben.

Ein „Asylantrag“9 durchläuft mehrere behördliche Stationen: Ein Antrag auf internationalen Schutz konnte 2015 bei jeder Polizeidienststelle eingebracht werden, der/die AsylwerberIn wurde in Salzburg in der Regel beim Polizeilichen Anhalte-Zentrum (PAZ) registriert und dort eine erste Einvernahme durchgeführt, der Antrag sodann von der für Dublin-Verfahren zuständigen Abteilung in der Erstaufnahmestelle West weiterbearbeitet und schließlich, sofern er zugelassen wurde, inhaltlich beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) bearbeitet.

Prekär und vulnerabel: die Situation der „Transitflüchtlinge“

Salzburg war im Jahr 2015 insbesondere zwischen Ende August und Dezember einer der zentralen Knotenpunkte für den Transit von Geflüchteten auf ihrem Weg nach Deutschland oder in die skandinavischen Länder. Die Situation der Durchreisenden war vor allem deshalb besonders prekär und vulnerabel, weil für sie keinerlei rechtliche und zunächst auch keinerlei organisatorische Basis existierte. Sie waren ohne Visa eingereist und für die Zeit ihrer Durchreise „illegal“ aufhältig. Somit gab es keine formale Zuständigkeit staatlicher Stellen für die Versorgung der Durchreisenden, denn der Zugang zur Grundversorgung des Bundes setzt das Stellen eines Antrags auf internationalen Schutz voraus. Hinzu kam das praktische Problem, dass illegal aufhältige Personen nicht „amtsbehandelt“ werden konnten, ohne sie zugleich zu erfassen und zu registrieren – was aber die Zuständigkeit Österreichs im Rahmen der Dublin-Verordnung nach sich gezogen hätte. In dieser rechtlichen Dilemmasituation musste eine Versorgung in knappen Zeiträumen improvisierend hergestellt werden und konnte nur durch den massiven Einsatz – vorhandener sowie spontan entstandener – ehrenamtlicher Strukturen bewältigt werden. In den letzten vier Monaten des Jahres 2015 reisten ca. 300.000 Menschen durch Salzburg weiter nach Deutschland.

Auch VertreterInnen und Mitgliedsorganisationen der Plattform für Menschenrechte gehörten zu jenen, die mit Beginn des „Transits“ Ende August aktiv wurden und Durchreisende auf dem Salzburger Bahnhof vor allem mit Wasser, Babynahrung und Hygieneartikeln versorgten. Landespolitikerinnen und Stadtpolitik wurden zwar schnell auf die prekäre Situation im Bahnhof und auf den Versorgungsbedarf aufmerksam, allerdings war die vor allem über Social Media vernetzte Zivilgesellschaft in Hinblick auf Unterstützungsbereitschaft und unbürokratische Mobilisierung dem „offiziellen“ Salzburg in den ersten Tagen deutlich überlegen. Hunderte, teilweise sogar tausende Durchreisende wurden täglich auf dem Bahnhof versorgt, vor allem auch mit Hilfe vieler Freiwilliger, darunter zahlreiche mehrsprachige SalzburgerInnen, aber auch in Salzburg lebende Asylwerbende mit Deutschkenntnissen, die täglich Stunden auf dem Bahnhof verbrachten, um die Versorgung der Züge mit den sogenannten „Transitflüchtlingen“ auf der Durchreise nach Deutschland mit zu gewährleisten. Zunächst ging es nur um Basiskommunikation, um Notversorgung und um die Versorgung der Weiterreisenden mit Wasser, Nahrungsmitteln, Babynahrung, Hygieneartikeln etc. Als jedoch Deutschland nach wenigen Tagen begann, die Menschen, die um Asyl ansuchen wollten, bei der Einreise zu registrieren, wurde in Salzburg die Notunterbringung von Menschen für eine oder zwei Nächte ein immer dringlicheres Problem. Zunächst wurde die Bahnhofsgarage als Notquartier eingerichtet und Notschlafmöglichkeiten in Moscheegemeinden und Kirchen in Bahnhofsnähe genutzt. Später wurde das Gebäude der ASFINAG in der Nähe des Grenzübergangs Freilassing als Notschlafmöglichkeit für Transitflüchtlinge eingerichtet, da die Weiterreise nicht mehr, wie anfänglich noch, mit Zügen, sondern über das alte Zollhaus und den Grenzübergang Freilassing zu Fuß bzw. mit Bussen erfolgte.

Innerhalb von wenigen Tagen entstanden im Spätsommer 2015 neue zivilgesellschaftliche Vernetzungen wie „Train of Hope“ oder „Helferz“, die, später dann gemeinsam mit den „klassischen“ Ehrenamtsorganisationen wie Caritas, Rotes Kreuz oder der während des Jugoslawienkriegs entstandenen Hilfsorganisation „Bauern Helfen Bauern“, unverzichtbare PartnerInnen für die Versorgung der „Transitflüchtlinge“ wurden. Auch viele muslimische Gruppierungen engagierten sich: Warmes Essen war zunächst durch Moscheegemeinden gekocht und durch die Muslimische Jugend Österreichs verteilt worden; später traf aufgrund des großen internationalen Echos auf die Salzburger Transitsituation auch ein mobiles Kochteam der Londoner Hilfsorganisation „Muslim Hands“ in Salzburg ein, das mehr als 100.000 Essen spendete und zubereitete. Mit der zunehmenden Verstetigung der Krisensituation wurde schließlich das Bundesheer herangezogen, um eine reibungslose Notversorgung zu gewährleisten.

Die neuen Netzwerke boten motivierten SalzburgerInnen, die „etwas tun wollten“, schon allein wegen ihrer schnellen Kommunikation eine einfache Möglichkeit, sich im Rahmen der Transitsituation am Bahnhof, am alten Zollgebäude oder in der ASFINAG direkt bei der Versorgung der Durchreisenden zu engagieren. Auch die Zusammenarbeit der Netzwerke mit den „großen“ Einsatzorganisationen wie auch die Aufteilung der Zuständigkeiten funktionierte nach gewissen Anlaufschwierigkeiten schließlich gut. Allerdings wurden mit dem Andauern der Transitsituation die Grenzen der rein ehrenamtlichen Organisationsform und Arbeitsweise deutlich: Zum Beispiel zeichnete sich bald ab, dass die neuen Netzwerke zusätzliche bezahlte Ressourcen für die Koordination wie auch die Mitarbeit in den Krisenteams benötigen würden und dass auf Dauer die Leistungen der Sprachmittler nicht mehr ausschließlich unbezahlt stattfinden konnten. Es entwickelte sich ein Konflikt um langsam anlaufende und im Regelfall zu knappe staatliche Ressourcen. Dieser blieb zunächst weitgehend im Hintergrund und wurde „intern“ ausgetragen. Im November 2015 eskalierte jedoch der Konflikt um die DolmetscherInnen: Vor allem jene Sprachmittler, die von Beginn weg am Bahnhof und dann in der ASFINAG tätig waren und teilweise als Asylwerbende nicht einmal das nötige Geld für Fahrscheine hatten, kämpften um Fahrtkostenerstattung, um die Anerkennung ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit, und teils um Honorare. Die Zahl der sog. Transitflüchtlinge war schon deutlich rückläufig, als beim Roten Kreuz schließlich eine bezahlte Koordinationsstelle für die DolmetscherInnen in der ASFINAG eingerichtet wurde.

Im öffentlichen Diskurs wurde in diesen letzten Monaten des Jahres 2015 der Begriff der „Salzburger Willkommenskultur“ geprägt. Dieser Begriff zeichnete ein Bild der Vorgänge 2015, durch das manche wesentlichen Fakten unterbelichtet blieben: Im Hintergrund blieb beispielsweise, dass es nicht zuletzt dem unbezahlten Engagement der vielen SalzburgerInnen „mit Migrationshintergrund“ zu danken war, dass die Versorgung und Kommunikation mit den Transitflüchtlingen am Bahnhof, in der Parkgarage und später dann in der provisorischen Notunterkunft der ASFINAG verhältnismäßig gut funktionierte. Ein besonderes Element der „Salzburger Willkommenskultur“ war eben auch, dass wenigstens z.T. muslimische Geflüchtete auch mit Halal-Essen versorgt wurden. Und: Das unglaubliche ehrenamtliche Engagement vieler SalzburgerInnen substituierte und kaschierte einen vielfach nur halbherzigen politischen Willen, rasch, effizient und vor allem in ausreichendem Umfang Ressourcen für eine menschenwürdige Versorgung der Durchreisenden zur Verfügung zu stellen.

Im Dezember 2015 wurden die ASFINAG-DolmetscherInnen und weitere ehrenamtliche Salzburger DolmetscherInnen mit der „Rose für Menschenrechte“ der Plattform für Menschenrechte ausgezeichnet.10 Im März 2016 wurde das Transitcamp in der ASFINAG geschlossen. Stadt und Land Salzburg wurden im Jahr 2016 mit einem Qualitäts-Sonderstaatspreis ausgezeichnet.11

Unzureichende Betreuung und akuter Mangel: Bundesbetreuung und Landesquartiere

Für alle diejenigen, die 2015 nicht nach Deutschland weiterreisen wollten, sondern in Salzburg einen Antrag auf internationalen Schutz nach der Genfer Konvention stellten, begann das Zulassungsverfahren. Bereits in der ersten Jahreshälfte 2015 herrschten allerdings in ganz Österreich in den sog. „Erstaufnahmezentren“ katastrophale Bedingungen, die sich im Laufe des Jahres weiter verschlechterten.12 Das System der drei zentralen Erst-Aufnahmezentren befand sich in der Umstrukturierung, die Erstaufnahmezentren sollten durch dezentrale Verteiler-Zentren ersetzt werden. In der Stadt Salzburg betrieb die Firma ORS im Auftrag des Bundesministeriums ab Mitte Mai 2015 eine provisorische Erstunterbringung in Form einer vieldiskutierten Zeltstadt in der Alpenstraße.13 Im Juli 2015 wurde die Schwarzenberg-Kaserne für Flüchtlinge, die sich nach Einbringen des Asylantrags im Zulassungsverfahren – und somit in Bundesbetreuung – befanden, zur Verfügung gestellt und bis 2017 für AsylwerberInnen in Bundesbetreuung genutzt, zuletzt vor allem für Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge (UMF.). Das ehemalige Hotel „Kobenzl“ auf dem Gaisberg sollte schon im Januar 2015 zunächst als Bundesquartier und dann ab Jahresmitte als Verteilerzentrum in Betrieb gehen – auch hier betreut durch die Firma ORS.

Zum ersten Mal wurde damit im Jahr 2015 auch in Salzburg die ORS Service GmbH tätig (eine Tochterfirma der Schweizer Gesellschaft ORS Service AG). ORS ist ein wirtschaftliches Unternehmen, das seit dem Jahr 2012 alle Bundesquartiere betreut und dessen Geschäftsmodell vor allem „höchste Effizienz in der Verwendung öffentlicher Mittel“ bei der Betreuung von AsylwerberInnen und Flüchtlingen vorsieht.14

Die Errichtung der Zeltstadt wurde von polarisierten öffentlichen und medialen Diskussionen begleitet: Es wurde zur Diskussion gestellt, ob denn ein reiches Land wie Österreich nicht eine feste Unterkunft zur Verfügung stellen könne, oder es wirklich nötig sei, Flüchtlinge durch Zeltunterkünfte abzuschrecken. Die Qualität der Unterbringung in der Zeltstadt stand von Anfang in der Kritik: Schlaflager, fehlende Privatheit, fehlende Wetterfestigkeit und Möglichkeit der Temperaturregulierung, unzureichende Essensversorgung, fehlender Zugang Außenstehender sowie fehlende Rechtsberatung wurden bemängelt. Zudem gab es keine Betreuung durch Sozialarbeiter, keine Angebote zur Tagesstrukturierung, keine Unterstützung z.B. für besonders verletzliche Flüchtlinge. Zu Beginn wurde nicht einmal eine zentrale „Anschlagtafel“ für Informationen installiert. Auch die Unterbringung in der Kaserne in Wals zog rasch Kritik nach sich, da die Betreiberfirma ORS auch dort lediglich eine Basisversorgung bot. Vor allem die fehlende Privatheit, die Essensversorgung und das gänzliche Fehlen von Angeboten zur Tagesstrukturierung waren für dort lebende Menschen ein Problem. Eine quantitativ und qualitativ ausreichende Betreuung war in diesen Bundesquartieren nicht vorgesehen, auch als absehbar wurde, dass sich infolge der gestiegenen Zahl von Flüchtlingen und des Aussetzens der Dublin-Verfahren die Aufenthaltsdauer oft über viele Monate hinziehen würde.

Nicht zuletzt aufgrund der öffentlichen Kritik an den Mängeln bei der Unterbringung, Versorgung und Betreuung in den von ORS betreuten Quartieren und die dadurch sichtbar gewordene Bedürftigkeit der Geflüchteten entstanden – zunächst vor allem rund um die Zeltstadt in der Alpenstraße – spontan Aktivitäten der Hilfsbereitschaft: Über Netzwerke und Social Media organisierten junge SalzburgerInnen Kleiderspenden-Flohmärkte im nahen Park, Moscheegemeinden holten Flüchtlinge zu Ramadan-Feiern ab oder versorgten sie mit Essen zum Fastenbrechen. Das neu gegründete Netzwerk „Refugees Welcome Salzburg“ organisierte Begegnungs- und Austauschmöglichkeiten und engagierte sich in der politischen Lobbyarbeit. Die Hilfsorganisation „Bauern Helfen Bauern“ erhielt schließlich offiziell Zutritt zu den Zelten in der Alpenstraße. Auch um die und in der Kaserne in Wals entstanden ehrenamtliche Strukturen mit Angeboten zum Deutschlernen und zur Begegnung. Die Leitung reagierte auch auf Kritikpunkte, die von den Geflüchteten selbst in den Flüchtlingsforen der Plattform für Menschenrechte vorgebracht wurden. Im September wurde dann die Sporthalle Riedenburg als winterfestes Ersatz-Notquartier zur Verfügung gestellt und die Flüchtlinge aus der Alpenstraße nach und nach dorthin umgesiedelt.

Im Bereich der Landesgrundversorgung brachten zwei Faktoren die zuständigen Behörden des Landes 2015 in eine schwierige Situation: zum einen die bisher schon untererfüllte Quote15 bei der Unterbringung in der Grundversorgung und zum andern die steigenden Zahlen von Menschen im Asylverfahren. Die Caritas hatte im Sommer 2015 einen Aufruf gestartet, für die steigenden Zahlen der AsylwerberInnen Privatwohnungen zur Verfügung zu stellen. Dieser Aufruf hatte zwar vor allem im Umfeld von Pfarren einigen Erfolg, war aber bei weitem nicht ausreichend, so dass sowohl Innergebirg als auch in der Stadt bzw. im Großraum Salzburg dringend weitere Quartiere gesucht wurden – und natürlich auch Quartiersbetreiber. Das Land Salzburg mietete daher im Jahr 2015 in zunehmendem Maße gewerbliche Quartiere unterschiedlicher Größe an. In Folge dieser gestiegenen Nachfrage war schnell zu beobachten, dass gewerbliche Quartiere und Wohnmöglichkeiten für Flüchtlinge dem Land zu immer ungünstigeren Bedingungen angeboten wurden: Etliche Eigentümer gewerblicher Immobilien schlossen in der damaligen Situation Verträge mit dem Land ab, die ihnen mittelfristig gute Einkommen garantierten.16 Zudem entschied sich eine steigende Zahl von Sozialorganisationen, in den Bereich der Flüchtlingsbetreuung einzusteigen, so dass sich auch die Zahl der NGOs, die Flüchtlingsquartiere betrieben – sei es für unbegleitete Minderjährige (UMF), sei es für Erwachsene – vervielfachte. Zum Jahresende hatte sich die Zahl der Quartiere für die Landesgrundversorgung auf 153 verdreifacht.17 In Spitzenzeiten gab es in Salzburg fast 200 Flüchtlingsquartiere.

„Organisierte Obdachlosigkeit“: die Aufnahmesituation im Zulassungsverfahren

Trotz der Zunahme von Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge im Land Salzburg entstand spätestens ab dem Sommer 2015 eine Situation der „organisierten Obdachlosigkeit“: Die Plätze in der Bundesbetreuung reichten nicht aus, damit jede/r, der/die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte, auch eine Notunterkunft erhielt. Die Plattform für Menschenrechte dokumentierte im Rahmen des Monitoring zunächst Einzelpersonen und in der Folge auch Familien, die nach der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz bei einer Polizeidienststelle mit einem (nur in deutscher Sprache verfassten) Hinweisschreiben weggeschickt wurden. Das Schreiben enthielt die lapidare Information „Eine Quartierzuweisung erfolgt an dieser Stelle nicht“. Die auf dem Informationsblatt angegebene Telefonnummer war nur tagsüber und nur mit deutschsprachigen Auskunftspersonen besetzt.

Informelle Netzwerke privater UnterkunftsgeberInnen, Moscheegemeinden, Kirchengemeinden und private Netzwerke von Bekannten und Verwandten Geflüchteter waren für Asylsuchende, die keinen Platz in der Bundesbetreuung erhielten, somit oft die einzige Möglichkeit, ein Dach über den Kopf zu bekommen. Die ASFINAG wurde mehr und mehr zu einer Notunterkunft für Familien, die bereits einen Asylantrag eingebracht hatten – ein Faktum, das allerdings einen politischen Konflikt nach sich zog, da es sich ja um eine improvisierte Notunterkunft für Menschen im Transit und nicht um ein Bundesquartier handelte. Anfang November sollte die ASFINAG nicht mehr länger für Menschen zur Verfügung stehen, die bereits einen Asylantrag eingebracht hatten. Hunderten von Menschen drohte der Verlust ihrer ohnehin nur provisorischen Übernachtungsmöglichkeit. Zudem beschränkten sich die Probleme ja nicht nur auf die Frage der Unterkunft – mit der Unterbringung verknüpft war auch die Basisversorgung mit Nahrung, Hygieneartikeln etc., die medizinische Versorgung von Menschen, die durch die Strapazen der Flucht auch gesundheitlich beeinträchtigt waren, der Zugang zu Information und Dolmetsch und vieles mehr. Gerade in Hinblick auf die Gesundheitsversorgung von Akutfällen leisteten die Salzburger Landeskliniken (SALK) im Sommer und Herbst 2015 unbürokratische Hilfe für Transitflüchtlinge und richteten auf dem Höhepunkt der Transitbewegungen sogar regelmäßige Bereitschaftsdienste für Dolmetschende in den Ambulanzen ein.

Die Aufnahmesituation in Salzburg insgesamt18 war gerade für all jene problematisch, die aufgrund mangelnder Plätze während des Zulassungsverfahrens nicht in ein offizielles Quartier aufgenommen wurden, sondern mehr oder weniger provisorisch privat unterkommen mussten: Es gab für privat Wohnhafte keine organisierte Betreuung, und es gab keine Leistungen – zum Beispiel keinen Zugang zu Krankenversicherung oder keinen Zugang zu Information und Rechtsberatung, kein Geld für Lebensmittel oder Miete. „Privates Wohnen“ in der Phase des Zulassungsverfahrens war schlicht nicht vorgesehen. Eine regionale Anlaufstelle für die Betreuung dieser Personen gab es ebenfalls nicht, so dass Asylwerbende und die Menschen, die sie unterstützten, oft im Kreis geschickt wurden und auch hier wieder auf informelle Netzwerke angewiesen waren. Zudem herrschte zu diesem Zeitpunkt völlige Unsicherheit im Hinblick auf den Vollzug der sog. Dublin-Verordnung, die die Zuständigkeiten für Asylverfahren innerhalb der Europäischen Union regelt.

Die enorme Prekarität in Hinblick auf die Lebenssituation im Zulassungsverfahren resultierte nicht nur aus der zunehmenden Zahl Asylsuchender, sondern auch aus der Dezentralisierung der Erstaufnahme und den unzureichenden gesetzlichen Regelungen. Darüber hinaus fehlte gerade in diesem Bereich offensichtlich auch der politische Wille, schnell auf die Situation der Obdachlosigkeit zu reagieren, die zu vielfältigen Privatinitiativen für eine Notunterbringung geführt hatte. Zumindest eine regionale Anlaufstelle für die akuten Fragen der Bundesbetreuung hätte eine gewisse Grundorientierung für alle Beteiligten anbieten können. Die private Wohnsituation war ja für viele Menschen keine freie Entscheidung, die mit einem „bewussten“ Verzicht auf Grundversorgungsleistungen einherging, sondern durch die Umstände erzwungen und durch engagierte Menschen aus der Zivilgesellschaft ermöglicht.

Herausforderung Asylverfahren

Das Asylverfahren selbst stellt für Menschen, die um internationalen Schutz ansuchen, eine große Herausforderung und oft auch Hürde dar. Die gesellschaftlichen und politischen Debatten der letzten Jahrzehnte fanden und finden in den häufigen Änderungen im Bereich des Fremdenrechtes ihren Niederschlag. Allein das Asylgesetz 2005 verzeichnet seit dem Inkrafttreten mittlerweile 18 (!) Änderungen und Novellierungen – ohne dass in dieser Zählung die Änderungen in den anderen zugehörigen Materien wie z.B. Fremdenpolizeigesetz oder Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz berücksichtigt wären. So fällt es selbst ausgewiesenen Fremdenrechts-ExpertInnen schwer, einen Überblick über diese Rechtsmaterie zu bewahren.

Hinzu kamen und kommen regelmäßig behördliche Umstrukturierungen und geänderte Zuständigkeiten: Die Salzburger Regionaldirektion des Bundesamtes für Asyl und Fremdenwesen (BFA) hatte erst im Januar 2014 die Arbeit aufgenommen und die Umstellungen und Umstrukturierungen im ersten Halbjahr 2014 nach einigen Softwareproblemen abgeschlossen.19

Welchen Zugang zu Informationen über den Ablauf des Asylverfahrens ein/e AsylwerberIn erhielt, hing im Jahr 2015 letztlich vom Zufall ab: Zwar war das Einbringen eines Antrags auf internationalen Schutz bei jeder Polizeidienststelle bzw. bei jedem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes möglich, wo grundlegende Daten erhoben und die Fingerabdrücke des/der Asylwerbenden abgenommen werden. Aber nicht alle Polizeidienststellen waren auf die Einbringung eines solchen Antrags vorbereitet oder hatten Informationsblätter vorrätig. Offizielle Informationen zum österreichischen Asylsystem und zum Verfahrensablauf lagen zwar bereits leicht verständlich und in zahlreichen Sprachen über sog. „Infoboxen“ in den ehemaligen Erstaufnahmezentren vor, wurden jedoch erst im Lauf des Jahres in ein leicht verständliches Ablaufschema zum Asylverfahren integriert, das ab 2016 auch im Internet (auf deutsch und englisch) verfügbar war und vor allem Ehrenamtlichen den Einblick erleichterte. Mehrsprachige und niederschwellig zugängliche Informationen standen zunächst nicht öffentlich zur Verfügung. Eine Innsbrucker NGO veröffentlichte 2016 mehrsprachige Informationsvideos über den Ablauf von Asylverfahren in Österreich.20 Da viele Asylsuchende im Jahr 2015 gar nicht erst in ein professionelles Betreuungssystem gelangten, sondern ausschließlich von Ehrenamtlichen im privaten Umfeld betreut wurden, konnten somit verlässliche Informationen oft nur schwer beschafft werden. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Informationspolitik der handelnden Behörden 2015 insgesamt wenig proaktiv war.

In Salzburg wurde 2015 auf Initiative und im Rahmen eines Projektes des Diakonie Flüchtlingsdienstes ein Netzwerk von ehrenamtlichen „RechtsberaterInnen“ aufgebaut (SABERA – Salzburgerinnen beraten Asylwerbende), die seitens des Diakonie Flüchtlingsdienstes eine Basisqualifizierung im Bereich des Asylrechts erhielten, um in Einzelberatungen Geflüchteten und ggfs. auch UnterstützerInnen eine Basisinformation über den Ablauf eines Asylverfahrens und die zentralen Fragestellungen der Einvernahmen zu vermitteln.21 Kostenlose Rechtsberatung durch JuristInnen wurde in Salzburg schon seit Jahren nicht mehr in nennenswertem Umfang angeboten, und eine Anwältin ist nur für jene zugänglich, die sie sich auch leisten können. Nur am BFA stand zu feststehenden Sprechzeiten eine Rechtsinformation zur Verfügung, die jedoch häufig völlig „überlaufen“ war.

Die Plattform für Menschenrechte organisiert seit 2016 in regelmäßigen Abständen sogenannte „Flüchtlingsforen“, in denen Geflüchtete selbst zur Sprache kommen.22 Sie formulieren dort zu verschiedenen Themen und Bereichen ihre Kritik, Anliegen und Forderungen, die von der Plattform dokumentiert und an verantwortliche Stellen (Ressortzuständige, private QuartiersbetreiberInnen oder Betreuungsorganisationen) herangetragen werden. In den Flüchtlingsforen gaben Flüchtlinge immer wieder zu Protokoll, dass sie sich über das Asylverfahren überhaupt nicht informiert fühlten. Ihnen fehle der Einblick in seine Bedeutung, seine Abläufe und eine Information darüber, welche Sachverhalte dort vorzubringen wären. Als Informationsquellen dienten ihnen vor allem die individuellen Erfahrungen anderer AsylwerberInnen in ihrem jeweiligen Verfahren.

Bei der ersten Einvernahme im PAZ werden in der Regel Dolmetschende hinzugezogen. Diese Schnittstelle stellt einen großen Problembereich dar, der sich von der Ersteinvernahme weg durch das ganze Asylverfahren hin fortsetzt: Denn die Qualität der Übersetzung ist entscheidend für die korrekte Darstellung des Sachverhalts. Von Asylsuchenden wird häufig moniert, dass sie bei genauer Lektüre der Protokolle feststellen mussten, dass Inhalte abgeändert, verkürzt oder auch schlicht falsch übersetzt worden waren. Immer wieder erheben Flüchtlinge auch den Vorwurf der Benachteiligung durch Dolmetschende, etwa aufgrund konkurrierender ethnischer oder religiöser Zugehörigkeiten (wenn z.B. ein Dolmetsch, der schiitischer Moslem ist, für einen alevitischen Kurden übersetzt). In der Befragungssituation besteht keine Möglichkeit der Überprüfung des Protokolls für die Asylsuchenden: Das Protokoll wird in deutscher Sprache angefertigt, der/die Dolmetschende übersetzt die Niederschrift noch einmal zurück in die Ausgangssprache, in der das Gespräch geführt wurde, und dann wird unterzeichnet.

Das Problem der unzureichenden Qualität der Übersetzungen trat nicht erst 2015 auf. Wir beobachten es vielmehr im Monitoring der Plattform bereits seit vielen Jahren. Nach welchen Kriterien Dolmetschende ausgewählt werden, angesichts fehlender standardisierter Ausbildungen, wie die Qualität des Dolmetschens seitens der Behörden überprüft und sichergestellt wird und wie mit Kritik an einzelnen Dolmetschenden oder am System des Dolmetschens umgegangen wird, bleibt intransparent. Wer eine/n Dolmetscher/in am BFA ablehnt, muss mit einer Verschiebung der Einvernahme zumindest um mehrere Monate rechnen – was viele Befragte abschreckt, auch wenn sie dem Dolmetschenden misstrauen oder Verständnisprobleme, z.B. aufgrund von Dialektfärbungen, haben.

Ein erster systematischer Qualifizierungsschritt wurde in Salzburg im Jahr 2016 gesetzt: Damals wurde zum ersten Mal ein Qualifizierungslehrgang für Dolmetschende im Asylverfahren nach Salzburg gebracht: QUADA, eine Qualifikation, die UNHCR und VHS speziell für Dolmetschende im Asylverfahren konzipiert haben.23 Ohnehin besteht im österreichischen Bildungssystem das Problem, dass „Dolmetscher“ keine geschützte Berufsbezeichnung ist und es keine akademische Dolmetsch-Qualifizierung für die in Asylverfahren häufig benötigten Sprachen Arabisch, Dari, Farsi, Somalisch oder Kurdisch gab und gibt. Für die Dolmetsch-Tätigkeit beim BFA ist auch keine Zulassung als Gerichts-DolmetscherIn erforderlich.

Was von vielen NGOs seit Jahren immer wieder gefordert wird, nämlich eine Aufzeichnung der Einvernahmen und Befragungen, um im Zweifel auf ein akustisches Protokoll zurückgreifen zu können, wird aus Gründen des Datenschutzes abgelehnt. Schriftliche Protokolle der Einvernahmen können von den AsylwerberInnen nicht mitgenommen und vor der Unterzeichnung durch Dritte überprüft werden. Fehler in der Übersetzung zu einem späteren Zeitpunkt im Verfahren geltend zu machen ist, schwierig.

Ohnehin ist die Situation der Einvernahme gerade für Menschen mit traumatischen Erfahrungen oft so angstbesetzt, dass sie wider besseres Wissen allem zustimmen – aus Angst, sich Nachteile einzuhandeln. Besonders schutzbedürftige Personen, z.B. Folteropfer, traumatisierte Menschen etc. müssten eigentlich laut einer internationalen Vereinbarung, dem sogenannten „Istanbul Protokoll“,24 von geschulten Beamten und unter besonders geschützten Umständen befragt werden.25 Diese Vorgaben werden in der Praxis jedoch nicht umgesetzt. Ebenso wenig wird in der Regel berücksichtig, dass Traumatisierungen auch zu Dissoziationen, Lücken und fehlender Logik in den Schilderungen traumatischer Ereignisse führen können.

Ein weiteres Problem – speziell im Kontext der Ersteinvernahme – liegt darin, dass die Angaben zu Fluchtgründen, die hier gemacht werden, im inhaltlichen Verfahren eigentlich keine Rolle spielen dürften, da es bei der Ersteinvernahme nicht um die Darlegung von Fluchtgründen, sondern um die Ermittlung der Fluchtroute geht. Und: Zu diesem Zeitpunkt sind Asylantragstellende in der Regel überhaupt nicht informiert darüber, welche Fakten für das folgende Asylerfahren relevant sind. In der Praxis werden Angaben zu den Fluchtgründen im Protokoll der polizeilichen Einvernahme jedoch immer wieder auch im inhaltlichen Asylverfahren herangezogen – im späteren Erstinterview beim BFA, wo es um die inhaltlichen Fluchtgründe geht, werden Asylwerbenden häufig einzelne Aussagen oder ganze Passagen aus dem Protokoll der Ersteinvernahme vorgehalten.

Ein weiteres Problem gab es 2015 speziell beim Zugang zum Verfahren. Denn mit der oben erwähnten Versorgungslücke im Zulassungsverfahren ging ein weiteres Problem für die Abwicklung des Asylverfahrens einher: Wer keine Meldeadresse hatte und nur eine Zustelladresse bekannt geben konnte (z.B. weil er/sie nur provisorisch privat beherbergt wurde, nicht aber regulär eine Unterkunft fand), riskierte die Einstellung seines Verfahrens. Für die Behörde galt nämlich, so hat die Plattform für Menschenrechte in mehreren Fällen dokumentiert, bereits als untergetaucht, wer nicht im Abgleich mit dem Zentralen Melderegister gefunden wurde, wenn beispielsweise ein Dublin-Bescheid zugestellt werden sollte. Wurde nun eine Person im Melderegister nicht gefunden, wurde die Einstellung des Verfahrens geprüft, sprich eingeleitet – sogar wenn der Betreffende einer 48-Stunden-Meldeauflage bei der Polizei nachkam! In den dokumentierten Fällen hatten die betreffenden AsylwerberInnen ihrerseits alle Auflagen erfüllt, eine Zustelladresse angegeben und sich regelmäßig bei der Polizei gemeldet, während sie auf den Verfahrensfortgang bzw. die Zulassung zum Verfahren warteten.

Auch auf diese Situation wurde nicht mit einer entsprechenden Maßnahme, zum Beispiel der Einrichtung einer Ersatzmeldeadresse, wie sie bei Obdachlosen von Betreuungseinrichtungen angeboten wird, reagiert. Man wartete ab, dass die Zahl der Neuankömmlinge zurückging.

Belastungsfaktoren im Verfahren

Belastend für die Menschen ist nach der Zulassung zum Asylverfahren besonders die Verfahrensdauer und das lange Warten: Oft erfolgt erst nach einem Jahr oder noch später die erste Einvernahme – und das, obwohl die MitarbeiterInnenzahl in der Behörde aufgestockt wurde. Die zulässige Bearbeitungszeit (die Säumnisfrist) wurde angesichts der hohen Zahlen aus dem Jahr 2015 auf 15 Monate erhöht. Für die Asylwerbenden jedoch war die Belastung durch lange Wartezeiten oft kaum aushaltbar: Denn häufig warten Angehörige in Krisengebieten darauf, unterstützt zu werden und selbst in Sicherheit gebracht zu werden.

Belastend war und ist auch das Angewiesensein auf die staatliche Grundversorgung, die deutlich unter dem Bedarf liegt und eine gesellschaftliche Teilhabe in wesentlichen Bereichen (Arbeit, selbständiges Wohnen etc.) nicht erlaubt, sowie die erzwungene Untätigkeit. Nur wenigen Asylsuchenden gelingt es, zu einer Arbeit oder zu einer gemeinnützigen Tätigkeit zu kommen, viele stehen aber unter dem Druck, ihren zurückgebliebenen Angehörigen Geld zukommen zu lassen. Ein regulärer Arbeitsmarktzugang für Asylsuchende nach drei Monaten könnte hier Abhilfe schaffen – vorausgesetzt, Menschen werden auch arbeitsrechtlich abgesichert und nicht z.B. aufgrund fehlender Deutschkenntnisse in prekären Hilfstätigkeiten ausgebeutet. Durch den Ausbau der gemeinnützigen Beschäftigung im Jahr 2016 versuchte das Land gegenzusteuern,26 ein Koordinationsprojekt, das Gemeinden bei der Umsetzung beraten und unterstützen hätte sollen, kam jedoch nicht zur Umsetzung.

Die Lebenssituation während des Asylverfahrens blieb daher auch im Jahr 2015 sowie im Folgejahr trotz aller ehrenamtlichen Unterstützung geprägt von Marginalisierung, massiven finanziellen Einschränkungen, meist beengten oder prekären Wohnsituationen, vom fehlenden Zugang zum Arbeitsmarkt und auch zur psychotherapeutischen Versorgung. All dies war und ist kontraproduktiv für eine nachhaltige Integration und für eine Eigeninitiative, die durch das erzwungene Angewiesensein auf staatliche Versorgung und private Unterstützung eher behindert als gefördert wird.

Versorgung im Bundesland Salzburg

Über die Unterbringung in den organisierten Quartieren im Land Salzburg (Grundversorgungsquartiere des Landes) wurde auch schon vor dem Jahr 2015 in mehreren Menschenrechtsberichten der Plattform sowie im Monitoring häufig berichtet. Die Qualität der Unterbringung hängt in hohem Maße vom Engagement und von der Qualifikation der Quartierbetreiber ab sowie von ihrer Fähigkeit, mit den gesellschaftlichen Gruppen vor Ort ein ehrenamtliches Umfeld von UnterstützerInnen zu fördern und einzubinden. Denn mit den Mitteln, die staatlicherseits zur Verfügung gestellt werden, lässt sich eine dichte und sozial-integrative Betreuung nicht realisieren.

Hier gab es im Jahr 2015 eine deutlich positive Entwicklung, die mit der Zunahme der Quartiere einherging: Mehr und mehr Menschen engagierten sich rund um Salzburger Flüchtlingsunterkünfte mit Sachspenden, mit Aktivitäten wie Sprachtrainings, der Begleitung von Flüchtlingen, Nachbarschaftshilfe, Unterstützung bei Behördenwegen, Lernpatenschaften usf. In manchen Orten gab es Unterstützernetzwerke, noch bevor ein Quartier überhaupt eröffnet wurde. In vielen Gemeinden hat sich im Jahr 2015 das Klima zunächst ganz entscheidend zum Positiven gewandelt, wodurch die Aufnahmesituation für die Menschen deutlich verbessert wurde. Aber auch Ehrenamtlichkeit braucht Koordination und Qualifikation – vor allem wenn sie nachhaltig und in gleichbleibender Qualität geleistet werden soll. Die Ressourcen hierfür standen nicht überall zur Verfügung. In Salzburg gründeten mehrere Einrichtungen wie Caritas, Diakonie, St. Virgil, Katholische Aktion und Plattform für Menschenrechte im Jahr 2016 ein Bildungsnetzwerk „Flucht – Asyl – Integration“, das sich vor allem die Weiterbildung und Qualifikation von Ehrenamtlichen in der Flüchtlingsbetreuung zum Ziel gesetzt hat. Das Netzwerk führt seither einen Lehrgang für Ehrenamtliche durch, mit einer Basisqualifikation für das Engagement in der Betreuung und Begleitung von Geflüchteten. Entsprechend den Bedürfnissen der Teilnehmenden verlagerte sich der Schwerpunkt der Inhalte nach der Umsetzung der ersten Lehrgänge von der Betreuungssituation im Verfahren hin zur längerfristigen Begleitung bei Integrationsprozessen nach der Anerkennung, ergänzend werden27 Informationsveranstaltungen zu speziellen Themen angeboten. Das Netzwerk arbeitet seit längerem auch mit dem Land Salzburg (Abt. Grundversorgung) sowie mit dem Integrationsfonds zusammen.

In Hinblick auf die Qualität der Unterkünfte unternahm das Land nach dem Rückgang der Zahlen der Asylwerbenden erste Schritte zur Festlegung von Standards der Betreuung und Unterbringung, die für Vertragsverlängerungen von Quartieren einzuhalten waren. Zudem wurde regelmäßig zum Austausch und zur Vernetzung von QuartiersgeberInnen eingeladen – ein wichtiger Schritt der Qualitätssicherung, der von Vorgängerregierungen jahrelang abgelehnt worden war. Auch die über die Flüchtlingsforen der Plattform direkt von den AsylwerberInnen bereitgestellten Informationen, Bedarfe und Forderungen wurden seitens des Landes zur Qualitätssicherung herangezogen. Darüber hinaus wurden regelmäßige Steuerungsgremien eingerichtet, um den Informationsfluss zwischen Behörden und NGOs zu verbessern. Ehrenamtliche wurden und werden im Rahmen sogenannter Integrationsforen über gesetzliche Änderungen und Maßnahmen für Asylwerbende und Anerkannte Flüchtlinge informiert.28

Deutschlernen im Asylverfahren – Zugang zu Bildung

Eine positive Entwicklung gab es im Bereich des Zugangs zu Bildung und zum Spracherwerb. Beginnend mit 2015 ist es im Land Salzburg gelungen, flächendeckend ein Deutschkursangebot für Asylwerbende bis zum Sprachniveau A2, teilweise sogar darüber hinaus, zu etablieren: Personen in der Grundversorgung sind mittlerweile in Salzburg verpflichtet, einen Deutschkurs zu besuchen, der ihnen in allen Regionen kostenlos angeboten wird. Darüber hinaus bietet die Universität Salzburg über das MORE-Programm ebenfalls Deutschkurse an;29 überhaupt kam es im Jahr 2015 zu einer gewissen Öffnung der Universitäten für geflüchtete Studierende und angehende AkademikerInnen. Zudem wurden zusätzliche Kursangebote für Pflichtschulabschlüsse geschaffen sowie der Zugang zu Lehrstellen in Mangelberufen für AsylwerberInnen unter 25 Jahren ermöglicht. Allerdings sind beispielweise UMF.s oder Kinder aus Familien Asylwerbender von der im Jahr 2017 neu eingeführten „Ausbildungspflicht“ für Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr ausgenommen. In jüngster Zeit wird zudem immer wieder von Fällen berichtet, in denen AsylwerberInnen mit Negativbescheid trotz aufrechter Lehrverhältnisse abgeschoben werden, und zahlreiche Asylwerbende konnten mittlerweile aufgrund negativer Bescheide den Pflichtschulabschluss nicht fertigstellen.

In Ergänzung zu den verpflichtenden „offiziellen“ Deutschkursen hat sich in Salzburg eine Vielzahl von ergänzenden Angeboten zum Deutschlernen entwickelt, meist von Ehrenamtlichen getragen. Ehrenamtliche, die den Spracherwerb unterstützen wollten, wurden seit Ende 2015 im Rahmen eines Projektes des Diakoniewerks bei der Konzeption und Umsetzung von Sprachtrainings unterstützt. Die Sprachtrainings und ergänzenden Angebote sind vor allem für jene Geflüchteten wertvoll und notwendig, die aus verschiedenen Gründen mit Barrieren im Zweitsprachenerwerb zu kämpfen haben, da auf sie in den Kursen nur bedingt Rücksicht genommen werden kann. Ein Beispiel sind die Deutschlernangebote im „ABZ – Haus der Möglichkeiten“, die meist von Studierenden von „Deutsch als Fremdsprache/als Zweitsprache“ durchgeführt wurden, in Kooperation mit Geflüchteten, die bereits selber über gute Deutschkenntnisse verfügen.30

Ein Spezifikum in Salzburg ist die Verknüpfung von Sprachkenntnissen auf Niveau A1 mit der Erlaubnis, während des Asylverfahrens nicht im organisierten Quartier, sondern privat zu wohnen: Wer privat wohnen möchte, benötigt in Salzburg mittlerweile ein A1-Zertifikat. Während die Intention hinter dieser Bestimmung durchaus nachvollziehbar scheint, ist es doch problematisch, wenn Menschen, denen kognitive Voraussetzungen für den Erwerb von A1 fehlen oder die aufgrund von massiven Bildungsbenachteiligungen im Herkunftsland Deutsch auf Niveau A1 nur sehr langsam erlernen, das „Privileg“ des „privat Wohnens“ auf längere Zeit vorenthalten wird und sie auf diese Weise möglicherweise doppelt benachteiligt werden.

Zur Situation von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UMF)

In einer bes. prekären und deshalb auch bes. schützenswerten Situation befanden und befinden sich unbegleitete Minderjährige im Asylverfahren.31 Auch hier zeigten sich 2015 in rasch und improvisiert eingerichteten Quartieren häufig Probleme in der Versorgung und sozialpädagogischen Unterstützung sowie in der Aufsicht für die Jugendlichen. In den Jugendämtern als den Obsorgeträgern fehlten die Ressourcen für eine entsprechend qualitätsvolle und individuelle Unterstützung dieser rasch wachsenden Personengruppe. Nur wenn Träger auch Eigen- oder Spendenmittel für die Betreuung einsetzten, gelang es, ein den Bedürfnissen einigermaßen angepasstes Unterbringungs- und Betreuungsangebot zu verwirklichen. Seitens der Kinder- und Jugendanwaltschaft (KIJA) wurde in dieser Situation ein Patenschaftsprojekt für jugendliche Flüchtlinge ins Leben gerufen, in dem – wiederum mit Hilfe Ehrenamtlicher – Kinder und Jugendliche aus Flüchtlingsfamilien und UMF.s begleitet wurden und werden und durch die KIJA qualifiziert und unterstützt werden.32

Neben der im Vergleich zu österreichischen Jugendlichen deutlich weniger intensiven Versorgung und Betreuung haben UMF.s das Problem, dass gegen die Ergebnisse einer behördlichen Altersfeststellung keine gesonderten Rechtsmittel eingelegt werden können/konnten: Hierfür müssen die Bescheide im Asylverfahren abgewartet werden. Minderjährige, deren Alter fälschlicherweise korrigiert wurde, geraten somit in die deutlich schlechtere Unterbringungssituation von Erwachsenen und profitieren nicht von den Rechtsvertretungsmöglichkeiten, die UMF.s zur Verfügung stehen.33

Subsidiärschutz und Illegalisierte: die menschenrechtlichen Problemlagen außerhalb des Asylverfahrens oder nach Abschluss des Verfahrens

Menschenrechtliche Problemlagen zeigten und zeigen sich auch außerhalb der Asylverfahren oder nach deren Abschluss. Zu erwähnen ist hier die Gruppe jener Geflüchteten, denen ein Subsidiärschutz zuerkannt wurde. Subsidiär Schutzberechtigten wurde und wird zwar kein Flüchtlingsstatus im Sinne der Genfer Konvention zuerkannt, jedoch wird ihnen Schutz zuerkannt, weil ihnen Gefahr oder ein ernsthafter Schaden drohen würde, müssten sie in ihr Herkunftsland zurückkehren.34 In Salzburg ist die Situation der subsidiär Schutzberechtigten besonders prekär, da ihnen vom Land kein Zugang zu Bedarfsorientierter Mindestsicherung (BMS) gewährt wird und sie auch nach dem Abschluss des Verfahrens in der Grundversorgung bleiben müssen, solange sie keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können. Diese Ungleichbehandlung und massive Schlechterstellung ist aus menschenrechtlicher Sicht nicht nachvollziehbar, und sollte dringend geändert werden.35

Darüber hinaus war gerade 2015 auch die Gruppe jener Geflüchteten relativ groß, die de facto nicht legal hier waren und deren „illegaler“ Aufenthalt in Salzburg – inoffiziell – geduldet wurde. Dazu gehörten z.B. all jene „Transitflüchtlinge“, die beim Versuch, die Grenze zu überqueren, von den deutschen Behörden abgewiesen wurden und in Salzburg keinen Asylantrag stellen wollten, weil sie eigentlich zu Verwandten in Nordeuropa unterwegs waren. Eine kleine Gruppe von Menschen, insbesondere auch aus nordafrikanischen Ländern, war sich der Ausweglosigkeit eines Asylantrags bewusst. Teilweise hatten Personen schon (mehrfach) andernorts negative Asylbescheide erhalten und befanden sich in Europa seit Jahren in „illegalisierten“ Situationen. „Refugees in Orbit“ ist die Bezeichnung für diese Situation der Perspektivlosigkeit, die oft über Jahre andauert (vgl. MR Bericht 2015).36

Eine weitere besonders verletzliche Gruppe sind Geflüchtete, die, nachdem sie in einem österreichischen Asylverfahren negativ beschieden wurden, als de facto nicht abschiebbare Menschen im Land blieben, die jedoch z.B. aufgrund fehlender Mitwirkung keine Duldungskarte erhalten.

Gemeinsam ist diesen „illegalisierten“ Menschen, dass sie aufgrund der völligen Rechtlosigkeit keinerlei Anspruch auf staatliche Leistungen haben und in massiver Prekarität und Vulnerabilität leben.

Was bleibt?

Diese kursorische Darstellung der Situationen, Problembereiche und Maßnahmen ließe sich ohne weiteres noch um viele weitere Aspekte ergänzen. Sie erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Betrachtet man die häufig als „Flüchtlingskrise“ bezeichneten Fluchtbewegungen im Salzburg des Jahres 2015 in einem größeren Kontext und in der zeitlichen Kontinuität vorangegangener Jahre, so wird u.E. deutlich: Spezifisch für das Jahr 2015 war die Herausforderung der Versorgung der Transitflüchtlinge und die große Zahl obdachloser Asylwerbender, die in der Zuständigkeit der Bundesbetreuung gewesen wären. Darüber hinaus jedoch waren viele Probleme bereits in den vorangegangenen Jahren bekannt und virulent und u.a. durch die Plattform für Menschenrechte in ihrem Monitoring und in den Berichten dokumentiert und dargestellt worden. Durch die steigende Zahl von Flüchtlingen im Jahr 2015 haben diese Probleme jedoch eine neue Dimension erhalten und sich verschärft.

Für das Verhältnis zwischen staatlicher und zivilgesellschaftlicher Verantwortung in der Aufnahme und Versorgung und Geflüchteten möchten wir zusammenfassend feststellen:

Durch das rasche und umfassende Engagement von Ehrenamtlichen quer über alle ideologischen, religiösen und Parteigrenzen hinweg ist nicht nur die Bewältigung der Situationen erst ermöglicht worden – es ist auch ein neues Selbstbewusstsein der Freiwilligen gewachsen. Dies hat z.B. auch in der Kontroverse um eine (nachträgliche) Beurteilung der Situationen am Hauptbahnhof in einem Brief an Landeshauptmann Dr. Wilfried Haslauer seinen Ausdruck gefunden: „Wir sind ehrenamtliche Helfer und Helferinnen aus dem gesamten Bundesland Salzburg, welche von der ersten Nacht (30. August 2015) bis heute aktiv sind, um Menschen auf der Flucht zu unterstützen – sei es damals mit „Soforthilfe“ am Bahnhof, an der Grenze, in der Asfinag oder inzwischen bei der täglichen Integrationsarbeit in den Gemeinden des Landes. Nachdem in jener Nacht auf Montag bis zu 2.000 Flüchtlinge am Salzburger Hauptbahnhof gestrandet sind, war es für uns alle eine Selbstverständlichkeit zu helfen und die Gestrandeten zumindest mit dem Notwendigsten zu versorgen. In einer Situation, die in dieser Form niemand voraussehen oder planen konnte, hat das spontane Zusammenspiel zwischen Organisationen und Zivilgesellschaft ausgezeichnet funktioniert, das verdient Respekt. Wir finden: Darauf kann Salzburg mehr als stolz sein.“37

Anlass für diese Kontroverse zwischen den Ehrenamtlichen aus der Zivilgesellschaft und dem Land Salzburg war die – nachträgliche – Beschreibung der Ereignisse rund um den Salzburger Hauptbahnhof im Sommer 2015 – in einer Stellungnahme des Landes vom 5.10. 2016 zur Notverordnung – als „Beeinträchtigung“ des öffentlichen Raumes und „aufgeschaukelte Situation“.38 Bereits damals zeichnete sich ab, was sich später noch vertiefen sollte: ein deutlicher Widerspruch in der nachträglichen Wahrnehmung und Beurteilung der als solche etikettierten „Krisensituation“ und der zivilgesellschaftlichen (Selbst-) Wahrnehmung, die auch eine politische Positionierung bedeutet. In dem Brief der Ehrenamtlichen an den Landeshauptmann heißt es weiter: „Abschließend ist es uns wichtig zu betonen, dass wir die Anzeichen für eine tatsächliche Notsituation nicht wahrnehmen. Aus unserer Sicht ist es eher so, dass sowohl mit der geplanten „Sonderverordnung“ als auch mit der Stellungnahme des Landes Salzburg den BürgerInnen unseres Landes bewusst ein Gefühl der Unsicherheit vermittelt und gleichzeitig nach außen hin eine scheinbare Überforderung bezüglich der aktuellen Situation konstruiert wird. Wir halten das für brandgefährlich!“

Eine weitere Feststellung betrifft die Handlungsebene: Ehrenamtliches Engagement kann und soll die staatliche Versorgung ergänzen und die Aufnahme von Geflüchteten erleichtern. Aber zivilgesellschaftliches Engagement kann – schon aufgrund des bestehenden Rechtssystems! – staatliches Handeln nicht ersetzen und fehlenden politischen Willen zu solchem Handeln nicht kompensieren. Das großartige zivilgesellschaftliche Engagement im Jahr 2015, das in den Folgejahren zwar zurückgegangen ist, aber – insgesamt betrachtet – auch jetzt noch deutlich höher liegt als in früheren Jahren, kann heute ebenso wenig wie damals über den fehlenden gesamtpolitischen Willen hinwegtäuschen, gesetzliche und strukturelle Vorkehrungen zu treffen, damit die mittlerweile wieder stark gesunkene Zahl von flüchtenden Menschen nicht nur notdürftig untergebracht wird. Als Menschenrechtsplattform legen wir unser Augenmerk vor allem darauf, ob der Anspruch auf internationalen Schutz in raschen, fairen und qualitätsgesicherten Verfahren geprüft und berücksichtigt wird. Dieser Anspruch wie auch der Rechtsschutz im Verfahren ist aus menschenrechtlicher Sicht oft nur unzureichend umgesetzt. Am Beispiel des Umgangs mit Schutzsuchenden aus Afghanistan, die im Jahr 2015 die größte Gruppe der Schutzsuchenden waren,39 wird sichtbar, dass es politische Vorgaben und Vereinbarungen sind, die die Praxis der Asylentscheidungen beeinflussen: Die Anerkennungs-Quoten afghanischer Flüchtlinge sind auf weniger als 40% gesunken, und Österreich schiebt nach Afghanistan ab – und dies, obwohl sich, nach Einschätzung z.B. der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, die Sicherheitslage in Afghanistan verschlechtert hat und Rückschiebungen als refoulement zu werten sind – d.h. sie setzen Abgeschobene dem Risiko schwerer Menschenrechtsverletzungen aus.40

Im Bereich Integration erfolgte infolge der Flüchtlingskrise zumindest eine gewisse Budgetaufstockung, wie auch im Bereich der Sprachkursförderungen. Auch in anderen Politikbereichen, wie z.B. der Schulbildung, erfolgte eine gewisse interkulturelle Öffnung durch Mobile Krisenteams, SprachhelferInnen etc. Auch die Einrichtung einer Integrationsplattform durch das Land als „Teilhabestruktur“ für MigrantInnen ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung.41 Dennoch: Eine überzeugte, dezidiert menschenrechtlich orientierte und von allen Seiten getragene Integrationspolitik könnte noch überzeugender gestaltet werden: In einem Masterplan Integration könnten die verschiedenen Maßnahmen gebündelt, priorisiert und konsequent umgesetzt sowie Integration als Querschnittsmaterie in allen Politikbereichen verankert werden.

Bereits 2016 begann ja auf Bundesebene eine politische Diskussion um die weitere Verschärfung und Einengung des Asylrechts. Die Integration von Asylwerbenden und anerkannten Flüchtlingen ist nun dezidiert kein politisches Ziel mehr, vielmehr sehen wir uns einer Politik der Isolierung und Abschreckung gegenüber. Bereits die Verschärfung des Asylrechts und die Einführung eines „Asyl auf Zeit“, das Fremdenrechts-Änderungsgesetz 2017 führten dazu, dass die Rechtsunsicherheit für die geflohenen Menschen vergrößert und der Rechtsschutz weiter abgebaut wurde. Die Verschärfungen des Familiennachzugs werden nur dazu führen, dass sich noch mehr Menschen und mehr Familien auf den gefährlichen Weg machen und vor immer höheren Zäunen und schwierigeren Zugangswegen stehen. In der österreichischen Bundespolitik seit 2016 vermissen wir als Menschenrechtsplattform ein klares Bekenntnis zum Recht auf Asyl, das sich in der Ausgestaltung und Umsetzung eines grundrechtsorientierten Asylgesetzes sowie einer grundrechtsorientierten Asylpraxis niederschlägt.

Im Kontext dieser Situation stellt sich – gerade auch auf Seiten der betreuenden Haupt- und Ehrenamtlichen und angesichts der Verzweiflung der Betroffenen – immer häufiger die Frage nach einer angemessenen zivilgesellschaftlichen Antwort auf die Herausforderungen, die diese Verschärfungen und politisch motivierten Engführungen menschenrechtlicher Verpflichtungen mit sich bringen. Die Akzeptanz der zahlreichen UnterstützerInnen und ehrenamtlich Engagierten in Salzburg für negative Verfahrensausgänge schwindet, weil viele die Entscheidungen der Behörden nicht nachvollziehen können. Auch Salzburger Unternehmen und Interessensvertretungen melden sich mittlerweile öffentlich zu Wort.42

Eine mögliche Antwort liegt in der Ausgestaltung ziviler Asylinstitute, die im kritischen Dialog und in Auseinandersetzung mit der aktuellen rechtsstaatlichen Praxis und gleichzeitig in einer ehrwürdigen religiös-historischen Tradition stehen: Sanctuary Cities, BürgerInnenasyle und Kirchenasyle.

Perspektive Kirchenasyl?

Das Wort „Asyl“ hat einen griechischen Ursprung; es leitet sich vom griechischen „asylon“ ab, das als Adjektiv mit „unberaubt“, „unverletzt“ und als Substantiv mit „Zuflucht“, „Heiligtum“ übersetzt werden kann. In einem engeren religionsgeschichtlichen und ethnologischen Sinn bedeutet Asyl „Orte, Zeiten und/oder Personen, die über die Eigenschaft/Fähigkeit verfügen, Schutzsuchenden – Flüchtlingen, Fremden, Marginalisierten, Personen in existentieller Bedrängnis – Sicherheit vor Verfolgung und Repression zu gewähren.“43 Der Anlass für diese Verfolgung oder Repression tritt dabei zunächst in den Hintergrund. Ein Institut der Schutzgewährung in ritualisierter Form auszuformulieren und zu praktizieren, galt und gilt weithin als Zeichen ausgeprägten ethischen Bewusstseins und zivilisatorischer Reife in einer Gesellschaft. Zahlreiche Motive und Textpassagen in der antiken Literatur markieren das Institut des Asyls als Unterscheidungsmerkmal zwischen Zivilisation und Barbarei.

In der europäischen Kulturtradition gibt es zwei klassische Bezugspunkte für die Tradition des Asyls: das Erste Testament, also die biblischen Schriften des Judentums, die ebenso Eingang in die Heiligen Schriften des Christentums gefunden haben, sowie die griechische Antike. Allen Regelungen, die sich im Ersten Testament (neben Erzählungen von konkreter Schutzgewährung) zum Asyl im engeren Sinne finden, sind zwei Konstanten gemeinsam: ein definierter Schutzort und eine klar umrissene Personengruppe, für die der Schutz gilt. Dieses Asylinstitut wird in vielen Texten des Ersten Testamentes (Deuteronomium, Josua und Numeri) weiterentwickelt – etwa im Ausweiten der Schutzorte von Kulträumen auf definierte „Asylstädte“ (in Dtn. 4,41 benennt Mose drei Asylstädte). Die Quellen der griechischen Antike bieten – im Gegensatz zum altorientalischen Schrifttum – ebenfalls eine Fülle von Belegen über Asylinstitutionen und unterschiedlichste Schutzformen. Das Schrifttum der gesamten Antike – von Homer bis zur frühchristlichen Spätantike – belegt eine reiche Vielfalt von Asylformen.

Klassisch wird diese Vielfalt in drei typologische Ausprägungen zusammengefasst: Asylie, Hikesie und andere Ausprägungen wie Proxenie oder Metökie. Da die griechische Gesellschaft in eine Vielzahl von autonomen Stadtstaaten zergliedert war, regelte die Asylie den zwischenstaatlichen Schutz von Land und BürgerInnen. Asylie bedeutete die vertragliche Aufhebung des „Sylerechtes“ (= Verletzungs-, Vergeltungsrechtes), der Selbstjustiz gegenüber den Angehörigen einer fremden Polis, eines anderen Stadtstaates.

Das christliche Asylrecht bildet sowohl Fortsetzung als auch Weiterentwicklung der antiken Formen. Als die heidnischen Kultstätten ihre Asylfunktion einbüßten, wurde diese mit allen ritualisierten Formen auf die christlichen Gotteshäuser übertragen, gleichzeitig wurden aber neue sakrale Schutzgarantien institutionalisiert. Der Heiligenkult war der neue Ort ausdifferenzierter Schutzfunktionen, und die Weihe einer konkreten Kirche an eine/n Heilige/n übertrug dessen / deren Schutzfunktion auf den Raum der Kirche.

Rechtlich konkretisierte sich diese Schutzfunktion in der „intercessio“, im Interventions- und Mediationsrecht der Bischöfe, das gleichzeitig als eine Interventionspflicht betrachtet wurde!

Das Kirchenasyl hatte aber auch seine eng gefassten Grenzen: Es betraf in der Praxis zum größten Teil verfolgte Schuldner und sorgte für einen lebbaren Schuldenausgleich. Kaum geschützt durch das Kirchenasyl waren die christlichen Sklaven von christlichen Eigentümern, da hier das Eigentumsrecht des Christen in der Regel als das höhere Gut betrachtet wurde. Außerdem galt das Kirchenasyl nur für Christen und nicht für Juden. Dennoch kommt dem Kirchenasyl in der europäischen Geschichte eine Modellfunktion für die Entwicklung eines universalen Schutzinstitutes in Form des Asylrechts zu.

In der punktuellen Wiederbelebung des Kirchenasyles vor allem in Deutschland44 als – nicht nur symbolische – Widerstandshandlung gegen als illegitim empfundene Abschiebungen wird sichtbar, dass die ideelle Universalität des Asylrechtes der fortschreitenden Eingrenzung des rechtlichen wie faktischen Vollzugs entgegensteht. Das Kirchenasyl ist mittlerweile keine gesellschaftliche Randerscheinung mehr. Seine qualitative wie quantitative Bedeutung als kritische Ergänzung rechtsstaatlicher Verfahren in einer Demokratie hat seit 2015 massiv zugenommen.45 Christliche Kirchengemeinden gewähren nach eingehender Prüfung und festgelegten Kriterien Personen Zuflucht, denen durch eine Abschiebung Verfolgung oder gar Lebensgefahr im Herkunftsland droht oder für die eine Abschiebung eine massive familiäre, soziale und psychische Belastung bedeutet. Kirchenasyl wird den Asylbehörden gemeldet; die Abschiebung wird – auf der Basis einer Verfahrensabsprache aus dem Jahr 2015 – üblicherweise ausgesetzt, bis der Fall überprüft ist – einen gesetzlichen Schutz gibt es allerdings für die Betroffenen im Kirchenasyl nicht.46

In Salzburg möchte die Plattform für Menschenrechte gemeinsam mit religiösen, kirchlichen wie zivilgesellschaftlichen Organisationen die Diskussion über eine spezifisch salzburgische Ausformung eines Kirchenasyls führen. Ein solches Kirchenasyl sollte ergänzt werden durch eine im Land Salzburg angesiedelte „Härtefallkommission“, die sich für eine neuerliche Überprüfung von negativ beschiedenen Asylanträgen einsetzt. Dies gilt vor allem für Fälle, in denen es begründete Zweifel gibt, ob Asylverfahren fair und mängelfrei durchgeführt werden konnten oder Verfahrenshindernisse aufgetreten sind, die nicht durch die AntragstellerInnen verschuldet waren. Oder in denen die Rückschiebung oder Abschiebung – sei es in ein europäisches Drittland oder ins Herkunftsland – eine unzumutbare Belastung oder Härte, eine besondere Verletzlichkeit oder Gefährdung für die Betroffenen bedeuten würde.

Abschließend möchten wir nochmals festhalten: Die Fluchtbewegungen des Jahres 2015 haben zwar durch die außergewöhnliche Zahl von „Transitflüchtlingen“, die Salzburg in Richtung nördliches Europa durchquert haben, eine spezifische Situation im Hinblick auf deren Weitertransport sowie ihre kurzfristige Unterbringung und Verpflegung geschaffen. In der Folge davon stieg zwar auch die Zahl der in Salzburg gestellten Asylanträge; diese ist jedoch mit dem Ende des massenhaften Transits von Geflüchteten auch wieder deutlich zurückgegangen. Andererseits müssen wir – vor dem Hintergrund unserer langjährigen Beobachtung und Dokumentation der Menschenrechtssituationen von Geflüchteten in Salzburg – feststellen, dass die überwiegende Zahl der Problemlagen, die 2015 auftraten, bereits vorher virulent waren und nach wie vor aktuell sind. Sie haben nur durch die sprunghaft angestiegene Zahl von Flüchtenden an Schärfe und Quantität zugenommen. Spezifisch für die Situation 2015 waren die in Salzburg neu errichteten Erstaufnahmelager bzw. -zentren für jene Geflüchteten, die in Salzburg um Asyl angesucht haben und deren Ansuchen im Hinblick auf die Aufnahme in eine Asylverfahren in Österreich geprüft wurden.

Desiderate, die auch jetzt, im Jahr 2018, noch weiterbestehen, sind die Professionalisierung und Qualitätskontrolle im Bereich der Grundversorgung, einschließlich eines Beschwerdemanagements, die professionalisierende Verstetigung und Qualifizierung des freiwilligen Engagements einschließlich der Sicherstellung ausreichender und adäquater Unterstützungsstrukturen, Mitsprache- und Mitgestaltungsmöglichkeiten der Geflüchteten im Sinne des „Empowerment“, Ausbau der gemeinnützigen Beschäftigung (jedenfalls solange kein adäquater Zugang zum Arbeitsmarkt möglich ist) und vor allem ein konsequentes Aufholen der Defizite in den Zugängen zu Information und Beratung und zum effektiven Rechtsschutz in Hinblick auf die Asyl-Verfahren. Die Zielrichtung der Bundespolitik deutet jedoch mit dem weiteren Abbau von Rechtsschutz und der fortgesetzten Verschärfung fremdenrechtlicher Vorgaben in die genau entgegengesetzte Richtung: Ausgrenzung und Desintegration der Schutzsuchenden sind die Folgen eines solchen politischen Programms, das so zum Verwirklichungsmotor seiner eigenen negativierenden Behauptungen wird – „so dass das Wort Flüchtling, das einst einen fast Ehrfurcht gebietenden Klang hatte, die Vorstellung von etwas zugleich Verdächtigem und Unglückseligem ….erregt“.

2Eine Quelle für die Menschenrechtliche Situation der Geflüchteten 2015 auf gesamtösterr. Ebene bietet der Menschenrechtsbefund 2015 der „Österr. Liga für Menschenrechte“: http://medienservicestelle.at/migration_bewegt/2015/12/10/2015-oesterreichischer-menschenrechtsbefund/ (zuletzt abgerufen: 16.5.2018).

3http://www.unhcr.org/dach/at/genfer_fluechtlingskonvention_und_new_yorker_protokoll-2 (zuletzt abgerufen am 16.5.2018).

4Mit Bezugnahme auf die internationalen Fluchtbewegungen 2015 hat die Hilfsorganisation „medico international“ die häufigsten Fluchtursachen in 5 Kategorien eingeteilt und versucht, sie annähernd quantitativ zu erfassen: https://www.medico.de/warum-menschen-fliehen-16487/ (zuletzt abgerufen: 16.5.2018).

6Siehe dazu den Abschnitt „Perspektive Kirchenasyl?“ am Schluss dieses Beitrages.

7„Laut Schätzungen des BM.I zogen dieses Jahr rund 600.000 Flüchtlinge durch Österreich, um in ein anderes EU-Land weiterzureisen“ (http://medienservicestelle.at/migration_bewegt/2015/12/22/asyl-flucht-im-jahr-2015-ein-rueckblick/; zuletzt abgerufen: 16.5.2018). In Salzburg sollen von Ende August bis Ende Dezember 2015 rund 300.000 Transitflüchtlinge durchgereist sein.

10http://www.menschenrechte-salzburg.at/die-rose-der-menschenrechte.html (zuletzt abgerufen: 16.5.2018).

11https://www.sn.at/wiki/Qualit%C3%A4ts-Staatspreis_f%C3%BCr_Fl%C3%BCchtlings-Einsatz. (zuletzt abgerufen: 16.5.2018).

12Der Österr. Menschenrechtsbefund 2015 stellte fest: „Im Sommer konnten sowohl Erwachsene als auch Minderjährige keine Unterkunft mehr in der Erstaufnahmestelle Traiskirchen finden, viele der Flüchtlinge mussten im freien Gelände kampieren und waren auf die Hilfe und Versorgung von Ehrenamtlichen angewiesen. Menschenunwürdige und menschenrechtsverletzende Zustände in Traiskirchen wurden bereits in Berichten von „Amnesty International“ und „Ärzte ohne Grenzen“ dokumentiert.“ (http://medienservicestelle.at/migration_bewegt/2015/12/10/oesterreichischer-menschenrechtsbefund-2015-kritik-und-empfehlungen/; zuletzt abgerufen: 16.5.2018).

13Siehe: Ursula Liebing: Beobachtungen aus dem Zeltlager Alpenstraße. In: Salzburger Menschenrechtsbericht 2015. http://www.menschenrechte-salzburg.at/publikationen/menschenrechts-berichte.html (zuletzt abgerufen: 19.5.2018).

14https://www.orsservice.at/ abgerufen am 28.4.2018.

15Das Land Salzburg wies in den Jahren 2007 bis 2012 jeweils eine untererfüllte Quote bei der Flüchtlingsunterbringung von 8,88 bis 18,04% auf (siehe: Bericht des Rechnungshofes über die Flüchtlingsbetreuung der Länder Salzburg, Steiermark und Wien 2013.http://www.rechnungshof.gv.at/fileadmin/…/salzburg/Salzburg…/Salzburg_2013_01_1.pdf). Im September 2014 hatte das Land Salzburg wieder aufgeholt und lag dennoch bei einem Minus von 8,74%.

16http://www.salzburger-fenster.at/2016/08/30/salzburg-fuerstliche-mieten-fuer-leere-asylquartiere/ (30. August 2016, abgerufen am 28.4.2018)

17http://salzburg.orf.at/news/stories/2749308/ (abgerufen am 26.04.2018).

18Siehe: Ursula Liebing / Fatma Özdemir-Bagatar: Versorgungsmängel für Menschen, die in Salzburg um Asyl ansuchen: Dringender Handlungsbedarf! In: Salzburger Menschenrechtsbericht 2015. http://www.menschenrechte-salzburg.at/publikationen/menschenrechts-berichte.html (zuletzt abgerufen: 19.5.2018).

20http://www.plattform-rechtsberatung.at/videowegweiser/ (zuletzt abgerufen: 17.5.2018).

22Im Salzburger Freien Radio (Radiofabrik) findet sich ein Bericht vom 1. Salzburger Flüchtlingsforum: https://cba.fro.at/317421 (zuletzt abgerufen: 17.5.2018). Die Flüchtlingsforen wurden u.a. über Facebook bei den Salzburger Geflüchteten beworben: https://www.facebook.com/events/1534681666837737/ und https://www.facebook.com/events/1066278310156782/.

24Zum „Istanbul-Protokoll siehe: http://www.istanbulprotocol.info/index.php/de/ (zuletzt abgerufen: 16.5.2018). Der Wortlaut des Protokolls findet sich in: http://www.v-r.de/_uploads_media/files/9783737000307_frewer_oa_wz_010746.pdf. (zuletzt abgerufen: 16.5.2018).

25Siehe: Holger Furtmayr/Andreas Frewer (2008). Das Istanbul-Protokoll und die Dokumentation von Folter, https://publishup.uni-potsdam.de/opus4-ubp/frontdoor/deliver/index/docId/3417/file/mrm13_02_online_2009_09_15.pdf.

27Lehrgang „Kraftakt und Bereicherung – weil Integration uns alle angeht“: https://www.virgil.at/bildung/veranstaltung/kraftakt-und-bereicherung-weil-integration-uns-alle-angeht-17-0162/ (zuletzt abgerufen: 16.05.2018).

29https://www.uni-salzburg.at/index.php?id=202723 (zuletzt abgerufen: 16.5.2018) und https://uniko.ac.at/projekte/more/ (zuletzt abgerufen: 16.5.2018)

30Maria Sojer-Stani: Deutsch lernen im ABZ. In: Salzburger Menschenrechtsbericht 2015. http://www.menschenrechte-salzburg.at/publikationen/menschenrechts-berichte.html (zuletzt abgerufen: 19.5.2018).

31Christine Dürnfeld: Betreuung von psychisch stark belasteten UMF.s in Salzburg. In: Salzburger Menschenrechtsbericht 2015. http://www.menschenrechte-salzburg.at/publikationen/menschenrechts-berichte.html (zuletzt abgerufen: 19.5.2018).

32Es handelt sich um das „Open Heart-Patenschaftsprojekt“. Siehe: http://www.kija-sbg.at/home/projekte/uebersicht/artikel/openheart-patenschaftsprojekt.html (zuletzt abgerufen: 16.5.2018).

33Siehe: Fatma Özdemir-Bagatar: Rechtliche und faktische Probleme bei der Altersfeststellung von minderjährigen Asylwerbern. In: Salzburger Menschenrechtsbericht 2015. http://www.menschenrechte-salzburg.at/publikationen/menschenrechts-berichte.html (zuletzt abgerufen: 19.5.2018).

34Siehe: https://www.help.gv.at/Portal.Node/hlpd/public/content/99/Seite.990027.html. Zur Situation subsidiär Schutzberechtigter in Österreich 2015 siehe den Bericht des UNHCR: http://www.unhcr.org/dach/wp-content/uploads/sites/27/…/Bericht_subsidiaerer_Schutz.pdf (zuletzt abgerufen: 16.5.2018).

35Vgl hierzu Philip Czech, Diskriminierung von subsidiär Schutzberechtigten im Sozialrecht, MR Bericht 2014, Seite 23.

36Vgl. MR Bericht 2016, S. 48, Am Beispiel: Kein Ort. Nirgends – Die Geschichte eines Jungen aus Nordafrika, der von einem (besseren) Leben träumte

37Die Stellungnahme datiert vom 21. Oktober 2016 und wurde von 32 ehrenamtlichen HelferInnen erstunterzeichnet, wobei „die Liste am 23.10. geschlossen wurde; weitere Mitunterzeichner folgten im Artikel per Presseaussendung“.

38In der Konstruktion solcher – teils nachträglich gebildeten – Wahrnehmungsbilder spielen, neben dem offiziellen politischen Diskurs, die medialen Diskurse eine wesentliche Rolle, siehe: Ricarda Drüeke/Katharina Fritsche: Debattenbeitrag: Geflüchtete in den Medien – Medien für Geflüchtete. In: Medienjournal 4/2015: „Flucht, Migration und politische Kommunikation“: http://www.ogk.at/wp-content/uploads/2016/…/Medien-Journal-4-2015_Drüeke-Fritsche.pdf.

39https://grundversorgungsinfo.net/zielgruppen/asylstatistik-2017/ abgerufen am 1.5.2018

40https://www.amnesty.org/en/documents/asa11/6866/2017/en/ , S.44., abgerufen am 28.4.2018, und den Beitrag von Ursula Liebing im Salzburger MR Bericht 2017: Aktuelle menschenrechtliche Problemlagen – Themenschwerpunkt Flucht und Asyl.

41Siehe: Ursula Liebing / Josef P. Mautner: „Integrationsplattform“ statt Integrationsbeirat für das Bundesland Salzburg: Chance zu aktiver Teilhabe oder Beschäftigungstherapie? In: Salzburger Menschenrechtsbericht 2015.

42Siehe: Aufenthaltsrecht für Asylwerber mit Lehre? In: http://salzburg.orf.at/news/stories/2898952/ (zuletzt abgerufen: 19.5.2018).

43Turner, Bertram (2005). Asyl und Konflikt von der Antike bis heute. Rechtsethnologische Untersuchungen. Reimer Vlg. O.O., S. 21.

44Siehe: Wolf-Dieter Just: Kirchenasyl und ziviler Ungehorsam. Ein Ratgeber. Hamburg 1993 sowie ders. (Hg.): Kirchenasyl. Ein Handbuch. Karlsruhe 2003.

45Die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche veröffentlichte für März 2018 414 Fälle von Kirchenasyl, 611 Personen wurden dadurch geschützt. Im November 2017 waren durch die Bundesarbeitsgemeinschaft 350 Fälle mit 530 geschützten Personen registriert worden. Im März 2017 wurden im Kirchenasyl in Deutschland 308 Fälle mit 511 Betroffenen geschützt.

46Siehe: 611 Flüchtlinge bekommen Schutz: Kritik an Kirchenasyl wächst, nun wehren sich Geistliche. In: Focus online, Montag, 02.04.2018, 08:59. Abgerufen am 11.4. 2018 unter: https://www.focus.de/politik/deutschland/asylbewerber-611-fluechtlinge-bekommen-schutz-kritik-an-kirchenasyl-waechst-nun-wehren-sich-geistliche_id_8700042.html.

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