„Ambivalenzen auf dem Weg zum März 1938“. Katholische Soziallehre und autoritärer Ständestaat.

„Vergangenes historisch artikulieren heißt (…), sich einer Erinnerung bemächtigen, wie sie im Augenblick einer Gefahr aufblitzt.“

(Walter Benjamin)

Einleitend: ein Schritt zurück in die Zeit zwischen 1925 und 1938

Aufgabe dieses Textes ist es, einige Überlegungen zum Verhältnis zwischen „autoritärem Ständestaat“ und katholischer Soziallehre anzustellen, die den theologiegeschichtlichen Strang in jenem Prozess erhellen sollen, der schließlich zum sog. „Anschluss“ Österreichs an das „Deutsche Reich“ und in der Folge zur Aufhebung der Katholisch-Theologischen Fakultät in Salzburg 1938 führte. Meine These dazu: Der Weg dorthin war nicht ausschließlich von der Gegnerschaft der Kirche zum Nationalsozialismus, sondern durchaus von erheblichen Ambivalenzen in deren Verhältnis zu staatlichem Autoritarismus und „halbfaschistischen“ Strukturen geprägt. Um diese These zu erläutern, ist es erforderlich, sich auf das Feld der Geschichtswissenschaften zu begeben, und diesen Abschnitt der Theologiegeschichte in seinen gesellschaftlich-politischen Kontext zu stellen. Ich befasse mich also in diesem Zusammenhang mit dem Teilaspekt einer – wie Ernst Hanisch sie bezeichnet hat[1] – „mittelfristigen Ursache“ für den „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland. Ich möchte einen Abschnitt aus einem Artikel der „Österreichischen Arbeiterzeitung“ – dem „Zentralorgan der christlichen Arbeiter- und Angestelltenbewegung“ – zum Christkönigsfest 1934 (27. Oktober 1934) an den Anfang stellen:

„In einer großen Stunde feiert Österreich dieses Jahr das Fest des Königtums Christi. Wenn irgendwo dieses Fest erhöhte Bedeutung gewonnen hat, dann in Österreich, das Christus zu seinem Führer und König erwählte; in Österreich, das gewillt ist, sich der Herrschaft Christi zu unterwerfen; in Österreich, das die Totalität des Christentums verwirklicht.“[2]

Dieser Abschnitt verdeutlicht die theologisch überhöhten Staats- und Gesellschaftsvorstellungen der christlich-sozialen Bewegung in Österreich und zeigt, wie sie dem autoritären Ständestaat „Flankenschutz“ (Ernst Hanisch) gegeben haben. Gegenstand meiner folgenden Überlegungen sind die Ambivalenzen, die den politischen Katholizismus und die katholische Soziallehre als ideologische Mit-Akteure des autoritären Ständestaates auf dessen Weg bis zum März 1938 geprägt haben: Auf der einen Seite stand die strikte ideologische wie politische Gegnerschaft gegenüber dem Nationalsozialismus. In einem „Promemoria“ zur politischen Situation in Österreich während des Herbstes 1933 hat der Linzer Bischof Johannes Maria Gföllner „Mitgliedschaft und aktive Teilnahme an den Bestrebungen des Nationalsozialismus“ als „unvereinbar mit dem katholischen Gewissen“ bezeichnet.[1] Auf der anderen Seite wurde seitens der österreichischen Bischöfe – trotz einiger Bedenken im christlich-sozialen Lager selbst – der Dollfuß-Kurs v.a. wegen seiner scharf „antibolschewistischen Haltung“ voll unterstützt – so geschehen im Hirtenbrief der österr. Bischöfe vom 21. Dezember 1933 mit dem offenen Bekenntnis, „… in diesem Hirtenschreiben offen und unzweideutig die Grundideen und Bestrebungen unserer Regierung gebilligt“ zu „haben“.[2] Den – nicht zuletzt auch theologischen – Ursachen dieser Ambivalenz zwischen antinationalsozialistischer Positionierung auf der einen und der Unterstützung eines antidemokratischen, teilfaschistischen Staates[3] auf der anderen Seite möchte ich näher nachgehen:

Einem nicht historistischen Verständnis von geschichtlicher Erinnerung folgend[4] stelle ich diese Überlegungen an: nicht zuletzt deshalb, weil sich auch im gegenwärtigen politischen und gesellschaftlichen Kontext katholische Kirche im Spannungsfeld mit neu erstarkten antidemokratischen und rechtspopulistischen Strömungen zu bewähren hat. Die europäischen Gesellschaften sind spätestens seit 2015 tief gespalten – v.a. im Hinblick auf die auseinanderdriftenden Verständnisse und Praktiken von Menschenrechten und sozialer Gerechtigkeit. Führende europäische Intellektuelle wie Miklos Haraszti oder Aleida Assmann haben im Angesicht dieser Polarisierungen bereits vor einer „Weimarisierung“ Europas gewarnt – also vor sozialen und ideologischen Spaltungen, wie sie die Weimarer Republik in den Abgrund getrieben haben. Der Historiker Volker Weiss, ein ausgewiesener Analytiker der europäischen Rechten, hat mehrfach betont, welch hohe Anziehungskraft als Referenztheorien ständestaatliche Konzepte für die aktuellen Theoretiker der sog. „Neuen Rechten“ in Deutschland wie Götz Kubitschek oder Karlheinz Weißmann ausüben.[5]

Auf der anderen Seite kann es genauso wenig um ein selbstgerechtes Urteilen über sozialethische Konzepte gehen, die in ihrem zeithistorischen Kontext verankert waren – etwa aus der Warte eines nachträglichen „Besserwissens“, das sich nur einer „Gnade der späten Geburt“ verdankt. Sie werden nur in der Relation zu ihrem jeweiligen historischen Kontext verstehbar und können auch nur so als Grundlage für Lernerfahrungen gegenwärtiger Sozialethik dienen. Als Theologe möchte ich hier einen – realistisch abgefederten – Geschichtsoptimismus vertreten. D.h. ich betrachte einen Abschnitt österreichischer Theologiegeschichte im Zeitraum zwischen 1925 und 1938 in der Überzeugung, dass es möglich ist – und die Entwicklung in der Folge des II. Vatikanums hat dies m.E. auch erwiesen -, dass Menschen und Institutionen aus einer (selbst)-kritischen Analyse ihrer eigenen Geschichte lernen und sich weiterentwickeln können. Diese Überlegungen erfolgen in drei Schritten:

Erster Schritt: „Ständestaat“ versus „Austrofaschismus“? Zur Kontroverse um die Begriffe

Im Jänner 2012 wurde das „Aufhebungs- und Rehabilitierungsgesetz“ im Nationalrat beschlossen. Dadurch wurden alle politisch motivierten Urteile von Gerichten zwischen dem 6. März 1933 und dem 12. März 1938 aufgehoben. Ein Versöhnungsschritt, und dennoch spiegelt er nochmals die Gräben zwischen den weltanschaulichen Lagern wider: Denn möglich wurde die parteiübergreifende Zustimmung zu dem Gesetz nur durch einen Kompromiss: Der Begriff „Austrofaschismus“ durfte im Gesetz nicht genannt werden.[6] Die Kontroverse um die begrifflichen Bezeichnungen dauert seit der Nachkriegszeit an. Sie zeigt die Ambivalenz, von der noch heute das Bild dieses Herrschaftssystems bestimmt ist. Alle in der Literatur gängigen Begriffe wie „Autoritärer Staat“, „konservativ-bürgerliche Diktatur“, „Austrofaschismus“ oder „Halbfaschismus“ haben Argumente für wie gegen sich, und keiner – auch nicht der von mir verwendete – kann zur Gänze befriedigen. Da es sich in der Einschätzung verschiedener Wissenschaftler (wie Golo Mann[7] oder Emmerich Tálos[8]) nicht um ein voll ausgebildetes faschistisches Herrschaftssystem handelte, sondern vielmehr um einen sog. „Halbfaschismus“[9], möchte ich dessen pauschale Bezeichnung als „Faschismus“ vermeiden. Ich verwende das Wort „autoritärer Ständestaat“ jedoch unter Anführungszeichen, denn es ist ein dem Selbstverständnis dieses Systems angenäherter Begriff. Damit soll jedoch nicht der antidemokratische und teilfaschistische Charakter dieser Herrschaftsform unterschlagen werden. Im zweiten Schritt werde ich einige Schlaglichter auf die Rolle der kath. Soziallehre als Legitimationsinstrument für den „autoritären Ständestaat“ werfen:

Zweiter Schritt: Die katholische Soziallehre als „ideologische Legitimationsbasis“ eines autoritären Staates.

Das Verhältnis der meisten Akteure der katholischen Kirche zum autoritären Staat wurde von einer zumindest partiellen Übereinstimmung wesentlicher Interessen getragen: Es lag im Interesse beider, die Herrschaft in einer kulturell und weltanschaulich einheitlichen, also „deutsch“ und katholisch geprägten Gesellschaft zu erhalten. Andererseits wollte man alle anderen Kultur- und Weltanschauungsmodelle, die Diversität signalisieren, wie etwa Judentum und Liberalismus, Sozialdemokratie und Freidenkertum zumindest hintanhalten und ihnen jegliche politische Macht entziehen. Diese Interessenskoalition verstand sich auch als Abwehrreaktion gegen weltanschaulich-religiöse Entwicklungen in der Ersten Republik: u.a. gegen die relative Stärke der österreichischen Sozialdemokratie und die Austrittsbewegung aus der katholischen Kirche – v.a. in der Metropole Wien. Von 1910 bis 1934 sank der Anteil der Katholik*innen in Österreich von 93,7 auf 90,5 Prozent, in Wien von 87 auf 79 Prozent. Seit 1919 traten in Österreich jährlich ca. 6.000 – 8.000 Menschen aus der Kirche aus. Ihren Höhepunkt erreichte die Austrittswelle nach der sog. „Julirevolte“ 1927 im Gefolge der als skandalös empfundenen Freisprüche im sog. „Schattendorfer Prozess“[10] mit 28.837 Austritten.[11] Hier entstand in der Soziallehre ein krasser Widerspruch zwischen ideellen Vorstellungen und realer Ausprägung: Einerseits wollte die kath. Soziallehre die „Gemeinschaftsidee“ zu der „gestaltenden Kraft im gesellschaftlichen Leben“ machen.[12] Andererseits war sie im realpolitischen Kontext v.a. Ausdruck einer zutiefst gespaltenen Gesellschaft. Festgefahrene Feindbilder auf Seiten der Kirche wie der Sozialdemokratie verurteilten die Vermittler auf beiden Seiten zum Scheitern und zu politischer Bedeutungslosigkeit. Im christlich-sozialen Bereich will ich stellvertretend zwei Namen nennen: Karl Ernst Winter mit der Zeitschrift „Wiener Politische Blätter“[13] sowie den Seelsorger und Theologen Michael Pfliegler.[14] Auf Seiten der Sozialdemokratie war es v.a. die Gruppe der „religiösen Sozialisten“, namentlich der sog. „kleine Otto Bauer“, der Namensvetter des stv. Vorsitzenden der sozialdemokratischen Partei. Zumindest erwähnen möchte ich – als Gegengewicht zum starken katholisch-antisemitischen Lager – Irene Harand und das „Pauluswerk“ des zum Katholizismus konvertierten Juden und Geistlichen Johannes Österreicher.[15]

Im Folgenden soll – zumindest schlaglichtartig – die Rolle von zwei wesentlichen Protagonisten der katholischen Soziallehre in den zwanziger und dreißiger Jahren beleuchtet werden, die auch in engster Beziehung zu Salzburg standen: des Salzburger Erzbischofs Sigismund Waitz sowie die des Theologen und Sozialethikers Johannes Messner, der Ehrendoktor der Universität Salzburg ist. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass ich mich hier nur mit einem Ausschnitt des Wirkens dieser beiden beschäftige und ihrer darüber hinaus reichenden kirchenpolitischen und theologischen Bedeutung nicht Rechnung tragen kann – ich erwähne nur die späteren Arbeiten von Messner zu Gemeinwohl und Naturrechtslehre[16].

Erzbischof Sigismund Waitz, am 29. Mai 1864 in Brixen geboren, war zunächst als Moraltheologe an der Katholisch-theologischen Hochschule in Brixen tätig. Im Jahr 1913 begann seine Karriere in der kirchlichen Hierarchie mit seiner Ernennung zum Weihbischof von Brixen und Generalvikar in Feldkirch. 1925 wurde er zum Apostolischen Administrator von Innsbruck-Feldkirch mit allen Rechten und Pflichten eines Residentialbischofs ernannt. Im Dezember 1934 wählte das Salzburger Domkapitel aus einem Dreiervorschlag Sigismund Waitz zum neuen Salzburger Erzbischof. Waitz blieb zunächst auch noch Apostolischer Administrator von Innsbruck-Feldkirch; erst 1938 erhielt die Administratur einen eigenen Bischof.

Sein Biograph Hans Jablonka hat Sigismund Waitz als einen der „geistigen Väter des ‚autoritären Ständestaates‘“ bezeichnet. Diese Beurteilung kann mit der Schlüsselrolle, die Waitz bei verschiedenen entscheidenden Weichenstellungen gespielt hatte, begründet werden; ich nenne hier nur ein Beispiel: den Sozialhirtenbrief der österreichischen Bischöfe, der vielfach als ein Vorläufer der Enzyklika „Quadragesimo Anno“ gesehen wurde. Waitz zeichnete gemeinsam mit Messner als Autor für den Erstentwurf der „Lehren und Weisungen der österreichischen Bischöfe über soziale Fragen der Gegenwart“ von 1925 verantwortlich.

Johannes Messner stand in intensivem Austausch mit Sigismund Waitz. Bereits während seines Studiums an der Katholisch-Theologischen Hochschule in Brixen (1910-1914) war Messner vom dort lehrenden damaligen Professor für Moraltheologie, Waitz, intensiv beeinflusst worden. Der spätere Bischof holte seinen ehemaligen Brixener Schüler von München nach Feldkirch und beauftragte ihn, gemeinsam mit ihm den erwähnten Entwurf für den Hirtenbrief zu erarbeiten. Darin sollte ein ständisches Ordnungsmodell als Lösung für die brennenden sozialen Probleme Österreichs vorgeschlagen werden. Der von ihnen verfasste Entwurf wurde dann allerdings von einer Variante abgelöst, in der der Begriff der „ständischen Ordnung“ nicht genau im ursprünglichen Sinne verwendet war. Der Hirtenbrief formuliert in prononcierter Weise eine konservative Kapitalismuskritik in Verbindung mit der Vorstellung einer berufsständischen Gliederung Österreichs. Die Gruppe der Industriearbeiter wurde mit dem Begriff des „Standes“ belegt. Die Nicht-Arbeiter wurden als „die übrigen Stände“ angesprochen. Gerechtigkeit und sozialer Ausgleich – so die Grundüberzeugung dieses Hirtenbriefes – können nur in einer „ständischen Ordnung“ erreicht werden. Ich zitiere einen Abschnitt:

„Der Stand der Industriearbeiterschaft hätte darum von allem Anfang an in die Gesellschaft eingegliedert werden sollen, wie einst der Gewerbestand und der Bauernstand eingegliedert worden sind (…) Es liegt deshalb auch im Interesse der Industrie selbst und im Interesse der ganzen Gesellschaft, (…) daß zwischen Unternehmerschaft und Arbeiterwelt die Vorschriften der Gerechtigkeit befolgt werden, noch mehr, daß ihr Zusammenarbeiten in einer wirklichen Arbeitsgemeinschaft zur Verwirklichung des christlichen wahren Solidarismus führe.“[17]

Für Messner war das Ordnungsbild der Gesellschaft wie der Wirtschaft in den Berufsständen zu sehen; in ihnen kommt s. E. die eigentliche „Interessensverbundenheit“ zwischen Arbeit und Kapital zum Ausdruck. Die ständische Ordnung sollte eine Alternative zum sozialistischen Modell eines Interessenskonfliktes zwischen Arbeit und Kapital bieten. Zum andern stehe sie auch dem liberal-kapitalistischen Modell gegenüber, bei dem er gesellschaftliche Ordnungskräfte vollständig vermisste. Messner trat zwar – im Unterschied zum Wiener Nationalökonomen Otmar Spann[18] – für eine Unterscheidung zwischen Staat und Gesellschaft ein und sah die ständische Ordnung vorrangig als Aufgabe der Gesellschaft. Dennoch plädierte auch er für einen „autoritären Staat“, der den Rahmen für eine ständische Gesellschaftsordnung zu garantieren hatte, und stellte der „formalen“, rein parlamentarischen eine sog. „Ständedemokratie“ gegenüber, in der zwar „das Staatsvolk naturrechtlicher Träger der Staatsgewalt“ sei, aber nur, „wenn das Volk sich seiner sittlichen Verpflichtungen im staatlichen Gemeinschaftsleben bewußt ist“, ein Konditionalsatz, den Messner in der 4. Auflage seines Werkes „Die soziale Frage der Gegenwart“ von 1934 eingefügt hat.[19] Johannes Messner unterschied – im Widerspruch zu Otmar Spann – zwischen „autoritärem“ und „totalitärem“ Staat. Dennoch nahm er eine grundsätzlich zustimmende Position gegenüber dem real existierenden „autoritären Ständestaat“ ein. Messner bejahte explizit die Grundzüge der neuen Mai-Verfassung von 1934, die einen „christlichen Staat“ auf ständischer Grundlage proklamierte.[20]

Er zitierte mehrmals zustimmend die Einleitung:

„Im Namen Gottes, des Allmächtigen, von dem alles Recht ausgeht, erhält das österreichische Volk für seinen christlichen, deutschen Bundesstaat auf ständischer Grundlage diese Verfassung.“

Mit dieser Formel war der säkulare Artikel 1 der alten Verfassung von 1920 abgelöst worden: „Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.“[21] Die Zweite Republik ist in ihrer Verfassung wieder zu diesem Artikel 1 zurückgekehrt.

Johannes Messner war zudem ein wichtiger Berater von Engelbert Dollfuß, später seines Nachfolgers Kurt Schuschnigg sowie der gesamten Regierung des Ständestaates: So nahm er z.B. nach der sog. „Selbstausschaltung“ des Parlaments 1933 an den Beratungen zur neuen Verfassung teil. Dollfuß hatte sein Werk „Die soziale Frage der Gegenwart“ intensiv rezipiert. Messners Buch über Engelbert Dollfuß[22],1935 – also ein Jahr nach dessen Ermordung -erschienen, rechtfertigt die Errichtung des „autoritären Ständestaates“ und die politische Rolle von Engelbert Dollfuß im Besonderen. In dieser Biographie scheint auch der dezidierte, als „Antibolschewismus“ verstandene Antisozialismus des Sozialphilosophen durch. Für Messner war die Zerschlagung der österreichischen Sozialdemokratie im Februar 1934 durch das Regime eine „Befreiung Österreichs von der Vergewaltigung durch den Austromarxismus“[23]

Wenn man das Konzept der „ständischen Ordnung“ mit den sozialen und ökonomischen Situationen im „autoritären Ständestaat“ vergleicht, zeigt sich eine deutliche Diskrepanz zwischen Idee und Realität, auf die ich im dritten Schritt näher eingehen möchte:

Dritter Schritt: Die Kluft zwischen der Theorie einer „ständischen Ordnung“ und der gesellschaftlichen Wirklichkeit

Allein die in der Verfassung festgelegten Institutionen einer „berufsständischen Ordnung“ gelangten in der politischen Realität über erste Ansätze nicht hinaus: Von den sieben Berufsständen der Verfassung wurden gerade zwei bis 1938 tatsächlich eingerichtet: der Berufsstand öffentlicher Dienst[24] und der Berufsstand Land- und Forstwirtschaft. Die Einrichtung aller anderen kam über ein vorbereitendes Stadium nicht hinaus. Die Enttäuschung innerhalb des Sozialkatholizismus über den mangelnden sozialen Fortschritt im „Ständestaat“ konnte aus einer Denkschrift des „Sozial-Wirtschaftlichen Instituts“ innerhalb der Katholischen Aktion (vom 15. März 1937) abgelesen werden: „Was den berufsständischen Aufbau anlangt, wird die klare Aufzeigung und Durchführung der Schritte zur Verwirklichung der sozialen Gerechtigkeit und der Entproletarisierung weitgehend vermißt.“

Ich möchte im Folgenden beispielhaft in zwei ausgewählten Thesen diesen Vergleich zwischen „katholischem Traum“ (Ernst Hanisch) und gesellschaftlicher Realität skizzieren:

Erste These: Die Ursachenwahrnehmung für politische und weltanschauliche Konflikte in der österreichischen Gesellschaft entsprach nicht der Wirklichkeit.

Politische Interessenskonflikte wurden von dieser Form der Sozialethik als grundsätzlich zerstörerisch betrachtet. Denn man beurteilte diese Konflikte als künstliche und von außen an die Gesellschaft herangetragene. Das Klassenkampfmodell der Sozialdemokratie war für sie ein „Verführungsinstrument“, das die naturgegebene Ordnung zerstören und der Partei zur Macht verhelfen solle. Die Proletarisierung eines Großteils der Arbeiterschaft wurde wahrgenommen und verurteilt. Man sah sie als Ergebnis eines liberalen Kapitalismus, der sich den Gemeinwohlverpflichtungen durch seine individualistische Freiheitsidee entzogen habe. Als direkter Ausdruck dieser gestörten Ordnung des Gemeinwesens galt die parlamentarische Demokratie mit ihrer von „Parteiengezänk“ gelähmten Politik. Hier wurde von der Katholischen Sozialethik ein Feindbild stilisiert, das – um nur ein Beispiel herauszugreifen – in der realen Finanzpolitik ihres Hauptfeindes, der Sozialdemokratie, keine Entsprechung fand: Bereits im Oktober 1921 – also in der Phase der sich beschleunigenden Inflation[25] – legte die Sozialdemokratie einen umfassenden Finanzplan vor, der auch wesentliche Einschnitte bei Sozialleistungen wie etwa die Beseitigung der Lebensmittelpreissubvention vorsah.[26] Auch als 10 Jahre später mit dem Zusammenbruch der „Creditanstalt“ die Finanzkrise in Österreich ihren Höhepunkt erreichte, wurden sieben von acht Sanierungsgesetzen sowie das darauf folgende Budgetsanierungsgesetz mit den Stimmen der Sozialdemokraten verabschiedet.[27] Auch der elaborierteste Entwurf einer ständischen Ordnung, nämlich der von Johannes Messner, enthält keine Analyse von Konflikten, die der Sozial- und Wirtschaftsstruktur inhärent waren. Auch die Potentiale der parlamentarischen Demokratie zu einer konstruktiven Austragung bzw. einem Ausgleich von Interessensgegensätzen wurden nicht wahrgenommen.

Zweite These: Das Konzept der „ständischen Ordnung“ stellte keine stringente Analyse der sozialen Realitäten an.

Die langanhaltende Phase einer hohen Sockel-Arbeitslosigkeit und das daraus resultierende soziale Elend werden in den Konzepten einer ständischen Gesellschaftsordnung nicht thematisiert. Das ständische Modell beschwört die „Entproletarisierung“ der Arbeiterschaft in Österreich durch das Zusammenwirken von Unternehmern und Arbeitern im selben Berufsstand. Fakt war aber, dass die ökonomischen und politischen Eliten die Finanz- und Wirtschaftskrisen ausschließlich durch Sozialabbau und hohe Arbeitslosigkeit abzufedern versuchten: Auf einem ersten Höhepunkt der Krise 1926 waren 244.000 Menschen in Österreich arbeitslos; und auch noch in der Phase der Konjunktur 1927-29 wurden tausende Arbeitsplätze abgebaut. Als im Februar 1934 die Demokratie endgültig zerschlagen wurde, stieg die Arbeitslosigkeit bis zu Jahresende auf einen neuerlichen Rekord von 770.000 Menschen, von denen nur 40 Prozent noch eine Arbeitslosen- oder Notstandsunterstützung bezogen.[28] Auch Ansätze zu einer Ursachenanalyse für die permanent hohe Arbeitslosigkeit fehlten in den ständisch orientierten Gesellschaftsmodellen völlig. Ebenso wenig vermochten sie die Lebensrealitäten der von Arbeitslosigkeit betroffenen Menschen zu erfassen. Dabei wurden gerade in den dreißiger Jahren und gerade in Österreich sozialwissenschaftliche Instrumentarien zu einer nüchternen, vorurteilsfreien Analyse der Situation der Arbeiterschaft und v.a. auch der Arbeitslosen entwickelt. Ich beziehe mich hier auf die Studie über die Arbeitslosen von Marienthal, die von der Gruppe um den Soziologen Paul Lazarsfeld in der Arbeitersiedlung nahe Wien durchgeführt wurde und deren Ergebnisse 1933 erstmals publiziert worden sind.[29]

Aus diesen Defiziten in der Wahrnehmung gesellschaftlicher Wirklichkeit erwuchs jene Ambivalenz, die die katholische Soziallehre in dieser historischen Phase geprägt hat: Einerseits hat sie den Nationalsozialismus auf religiös-weltanschaulicher Ebene strikt abgelehnt. Andererseits hat das Modell einer ständischen Gesellschaftsordnung mögliche Widerstandskräfte gegen den Nationalsozialismus de facto geschwächt. Die Frontstellung der Soziallehre zur Arbeiterbewegung und ihr unversöhnlicher Antisozialismus, ihr Obrigkeitsdenken und die Rechtfertigung für ein autoritäres Regime – all dies sind Elemente, die zur „Immunschwäche“ der österreichischen Gesellschaft gegenüber dem Nationalsozialismus beigetragen haben. Ein wesentlicher Faktor, der hier nur angedeutet werden kann, ist der katholische Antisemitismus, der gerade in einigen Lehrschreiben der Bischöfe dieser Zeit deutlich zum Ausdruck kommt.[30] Ich verweise in diesem Zusammenhang nur auf das Standardwerk von Erika Weinzierl mit dem sprechenden Titel: „Zu wenig Gerechte“.[31]

Schlussbemerkungen:

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Katholische Kirche in jener historischen Phase zwischen 1933 und 1938 in ihrer Positionierung gegenüber den politischen Kräften in der österreichischen Gesellschaft sowie in ihrem Verhältnis zum Staat von Ambivalenzen geprägt war, die nicht zuletzt in ihrem theologischen Fundament, der Katholischen Soziallehre mit ihrem ständischen Gesellschaftsmodell, begründet waren. Die Kirche definierte sich nicht nur über ihre Ablehnung und Abwehr gegenüber dem Nationalsozialismus, sondern ebenso über ihre tragende Rolle, die sie durch die ideologische wie praktisch-politische Unterstützung im „autoritären Ständestaat“ einnahm.

Aus den dargelegten Defiziten in der Analyse von Ökonomie und Gesellschaft Österreichs im Zeitraum 1933 – 1938 heraus hat sie ebenso die Marginalisierung der Arbeiterschaft und die Zerschlagung ihrer Organisationen mitgetragen wie die Zerschlagung der parlamentarischen Demokratie sowie die Errichtung eines autoritären Regimes, das schließlich im März 1938 dem Nationalsozialismus nur mehr wenig entgegenzusetzen hatte. Sie hat damit direkt wie indirekt jene bereits genannte „Immunschwäche“ der österreichischen Gesellschaft gegenüber dem Nationalsozialismus mit verursacht, die zum „Anschluss“ sowie in dessen Folge zu den Maßnahmen der nun herrschenden Nationalsozialisten gegen die Katholische Kirche und ihre Institutionen führte.

So erklärt sich m.E. auch jene tragisch-resignative Einstellung, von der die katholische Kirche Österreichs in ihrer Haltung gegenüber dem „Anschluss“ geprägt war. Diese spiegelt sich u.a. in einem Tagebucheintrag von Sigismund Waitz, geschrieben anlässlich der von den Nationalsozialisten angeordneten „Volksabstimmung“ zum „Anschluss“:

„Ich werde bitten, nicht zur Abstimmung gehen zu müssen, werde so meine Erklärung abgeben. Ich will nicht gegen die Regierung stimmen, aber man sollte es mir erlassen, zur Abstimmung zu gehen, weil das sehr schlecht ausgelegt werden würde. Ich werde eine Erklärung abgeben, nach den bestehenden Gesetzen sich zu verhalten, nichts gegen die Regierung zu unternehmen, Ruhe und Frieden zu halten. (…) Wir haben die bisher bestehende Regierung unterstützt weil sie die Kirche unterstützt. Zwischen Staat und Kirche muss ein freundliches Verhältnis bestehen, gegenseitiges Auskommen, einander nicht hinderlich zu sein, einander zu unterstützen.“ (Aus dem Tagebuch des Sigismund Waitz, Erzbischof von Salzburg, 14.3. 1938)[32]

Literatur:

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Botz, Gerhard, Gewalt in der Politik. Attentate, Zusammenstöße, Putschversuche, Unruhen in Österreich 1918 bis 1938, München 1983.

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Hanisch, Ernst, Der politische Katholizismus als ideologischer Träger des ‚Austrofaschismus‘, in: Emmerich Tálos / Wolfgang Neugebauer (Hg.), „Austrofaschismus“ Beiträge über Politik, Ökonomie und Kultur 1934-1938, Wien 1984, 53-73.

Jablonka, Hans, Waitz, Bischof unter Kaiser und Hitler. Wien 1971.

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Weinzierl, Erika, Zu wenig Gerechte. Österreicher und Judenverfolgung 1938–1945, Graz u. a. 1997.

Weiss, Volker, Deutschlands Neue Rechte. Angriff der Eliten – Von Spengler bis Sarrazin, Paderborn 2011.

Ders., Die autoritäre Revolte. Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes, Stuttgart 2017.


[1] Ebd., 72.

[2] Besier, Berufsständische Ordnung und autoritäre Diktaturen,93.       

[3] Auf die Frage einer angemessenen begrifflichen Qualifizierung des österreichischen Staates nach 1934 komme ich noch zurück.

[4] etwa im Sinne der sechsten der Thesen Walter Benjamins über den Begriff der Geschichte (Benjamin, Werke und Nachlass. Kritische Gesamtausgabe, Bd. 19). Siehe das Zitat am Beginn des Textes.

[5]Siehe u.a.:Weiss,Deutschlands Neue Rechte.; ders.,Die autoritäre Revolte.

[6] Siehe: Reiter-Zatloukal, „Unrecht im Sinne des Rechtsstaats“.

[7]Mann, Deutsche Geschichte des XX. Jahrhunderts, 390.

[8]Talos / Manoschek, Austrofaschismus, Halbfaschismus, Ständestaat.

[9]Tálos fasst die Diskussion zur Begriffsbildung schlüssig zusammen in: Tálos, Das austrofaschistische Herrschaftssystem.

[10]Botz, Gewalt in der Politik.

[11] Mit der Errichtung des autoritären Staates konnte kurzfristig durch Druck von oben dieser Trend umgedreht werden: 1934 standen 2.433 Austritten plötzlich 32.943 Eintritte gegenüber; mit dem Machtwechsel in Wien wurden z.B. die Gemeindebediensteten „rekatholisiert“. Siehe: Weinzierl, Kirche und Politik, 458f.

[12]Vgl. Messner, Soziale Frage und soziale Ordnung, 42.

[13] die 1933-1936 erschienen war; Winter war nach dem Februar 1934 dritter Vizebürgermeister von Wien und trat als solcher vergeblich für eine Aussöhnung mit der Arbeiterbewegung ein. Siehe: Weinzierl, Kirche und Politik, 452.

[14] Pfliegler lehnte den politischen Katholizismus (etwa in der Person Seipels) sowie die enge Bindung der Kirche an die christlich-soziale Partei entschieden ab und pflegte regelmäßige Kontakte zum „Bund religiöser Sozialisten“. Siehe: Weinzierl, Kirche und Politik, 445f sowie 461.

[15]Siehe: Weinzierl, Zu wenig Gerechte. Ende 1938 gab Johannes Österreicher in Paris das Buch „Racisme, Antisemitisme, Antichristianisme“ heraus; deutsche Ausgabe: Rassenhaß ist Christushaß.

[16]Z.B.: Messner, Johannes: Das Naturrecht (7. Auflage).

[17]Lehren und Weisungen der österr. Bischöfe über soziale Fragen der Gegenwart. Nach Eigenangaben hat Messner mit Waitz vierzehn Tage zur Textierung verbracht.

[18] Spann war 1919-1938 ordentlicher Professor für Nationalökonomie und Gesellschaftslehre an der Universität Wien. Mit der in seinem Buch „Der wahre Staat“ (1921) entwickelten universalistisch-faschistischen Gesellschaftslehre übte er großen Einfluss auf die Ideologie der Heimwehren und die Inhalte des „Korneuburger Eides“ aus. Seit Ende der zwanziger Jahre Mitglied der NSDAP, nach dem „Anschluss“ Verlust des Lehrstuhls und kurzzeitig Inhaftierung im KZ Dachau – trotz seiner Nähe zum Nationalsozialismus.

[19] Messner, Die soziale Frage der Gegenwart. Die zweite und dritte Auflage blieb jeweils gegenüber der ersten unverändert. Die vierte wurde als „im wesentlichen (sic!)unveränderte Auflage“ bezeichnet, enthielt also einige Änderungen wie die oben genannte.

[20]Die Verfassung wurde zweimal erlassen: einerseits durch eine Verordnung der Bundesregierung nach dem „Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetz“, was einen eindeutigen Verfassungsbruch darstellte und der geübten Praxis des autoritären Systems entsprach; andererseits, um die Optik gegenüber dem Ausland zu verbessern, durch einen Beschluss des Rumpf-Nationalrats am 30.April 1934. Die Mandate der sozialdemokratischen Abgeordneten waren als erloschen erklärt worden; die meisten großdeutschen Abgeordneten blieben der verfassungswidrigen Sitzung ebenfalls fern.

[21] Siehe: Fischer / Silvestri (Hg.), Texte zur österreichischen Verfassungsgeschichte.

[22] Messner, Dollfuß.

[23] Ebd., 46.

[24] Der wiederum nicht als „echter“ Berufsstand bezeichnet werden kann, da in ihm nur unselbständig Erwerbstätige erfasst waren (siehe: Talos / Manoschek, Politische Struktur des Austrofaschismus (1934-1938), 90f.

[25]Der „große“ Otto Bauer beschreibt in seinem Buch „Die österreichische Revolution“ das Ergebnis dieser Phase als „Aufhebung jenes Gleichgewichtsverhältnisses zwischen den Klassenkräften, das seit der Konterrevolution in Ungarn und dem Friedensschluß in Saint-Germain in Österreich herrschte.“ (Bauer, Die österreichische Revolution, 266).

[26] Vgl.: Kernbauer / Weber, Von der Inflation zur Depression.

[27] Folgen der Krise und ihrer kurzfristigen „Sanierung“ waren enorme Kapitalflucht und steigende Abhängigkeit von Institutionen des „internationalen Finanzkapitals“; siehe: Ebd., 19f.

[28] Otto Bauer hat zu Recht auf den Zusammenhang zwischen der unter der Arbeiterschaft weit verbreiteten Resignation und Furcht durch (drohende) Arbeitslosigkeit und dem nur halbherzig durchgezogenen Februar-Aufstand hingewiesen: Bauer, Der Aufstand der österreichischen Arbeiter.

[29]Jahoda / Lazarsfeld / Zeisel, Die Arbeitslosen von Marienthal (Erstausgabe: Hirzel, Leipzig 1933).

[30]Der Linzer Bischof Johannes Maria Gföllner verurteilte in einem Hirtenbrief am 21. Jänner 1933 den Nationalsozialismus, rief aber gleichzeitig zu einem „geistigen und ethnischen Antisemitismus“ auf.

[31]Weinzierl, Zu wenig Gerechte; Erstausgabe 1969, 4. erweiterte Auflage, 1997. Sowie: Enderle-Burcel / Reiter-Zatloukal (Hg.), Antisemitismus in Österreich 1933-1938.

[32] Jablonka, Waitz, 12.


[1]Siehe: Hanisch, März 1938: eine Salzburger Perspektive.

[2] Österreichische Arbeiterzeitung, 27. Oktober 1934; zitiert nach: Hanisch, Der politische Katholizismus als ideologischer Träger des ‚Austrofaschismus‘, 58.

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