Religions- und Weltanschauungsfreiheit im Verhältnis zur Religionskritik.
Josef P. Mautner

Das Wort „Kritik“ bedeutet zunächst – wenn man es auf das griechische Tätigkeitswort zurückführt[1] – einen Vorgang des Unterscheidens. Religionskritik führt zunächst den Prozess einer differenzierenden Wahrnehmung der verschiedenen Aspekte ihres Gegenstandes durch. Sie entzaubert einerseits den Schein einer ungebrochenen „Wesenseinheit“ von „Religion“ und unterläuft andererseits alle monosemierenden Vorstellungen von einer durchgängigen inneren Einheit der jeweiligen historischen Religionen. Differenzierende Prozesse der Kritik von innen wie von außen begleiten jede Religion von ihrer Entstehung an.
Klassisches Beispiel für einen Prozess der inneren Kritik in der frühen Phase des Christentums war die Auseinandersetzung zwischen Positionen, die auf einer Bewahrung seines jüdischen Ursprungs bestanden, und den Tendenzen einer Ausweitung auf Angehörige der sog. „heidnischen“ Religionen.[2] Darüber hinaus kennt bereits die Antike eine Vielzahl von kritischen Positionen, die sich in unterschiedlicher Weise auf Religion(en) beziehen.[3] Differenzierende Kritik untergräbt alle Formen einer Monosemierung von Religion(en) und eröffnet in ihrem prinzipiell unabschließbaren Prozess die Räume einer fortlaufenden Polysemantik der Religion(en), die ihre grundsätzliche Ambivalenz sichtbar machen[4]. Es gibt nicht nur „den Islam“, und es gibt nicht nur verschiedene Richtungen wie z.B. die „Sunniten“ und die „Schiiten“ innerhalb des Islam, sondern auch innerhalb der „ahl as-sunna“ etwa unterschiedliche Ausprägungen[5], die sich im Laufe ihrer Geschichte wiederum verändern. Darüber hinaus werden die Religionen von wiederum unterschiedlichen Ausprägungen der Kritik von außen begleitet, die von Reformvorschlägen bis zu Skepsis, von agnostischen und atheistischen Ausprägungen bis zu offener Ablehnung und Verurteilung reichen.
Das Recht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit schafft einen ermöglichenden Rahmen für diese Prozesse und eröffnet den Raum, die verschiedensten Formen der Kritik zu entwickeln, zu artikulieren und im öffentlichen Diskurs wirksam werden zu lassen. Für eine Verhältnisbestimmung zwischen dem Recht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit und den verschiedenen Ausformungen von Religionskritik scheint es mir notwendig, in einem ersten Schritt einige einleitende Überlegungen zu dem grundlegenden Verhältnis zwischen Universalität der Menschenrechte und den Religionen in ihrer Vielfalt anzustellen. Erst danach werde ich den Fokus auf dieses im Menschenrechtskanon zentrale und dennoch aktuell umstrittene Freiheitsrecht legen. In diesem zweiten Schritt soll Religions- und Weltanschauungsfreiheit in ihrem Gegensatz zu den verschiedenen Ausformungen einer „Toleranzpolitik“ dargestellt werden. Im dritten Schritt schließlich werden beispielhaft einzelne Ausformungen von Religionskritik in der Zeit der Aufklärung und in der Gegenwart dargestellt sowie einige Konvergenzen wie Divergenzen zur Religions- und Weltanschauungsfreiheit aufgezeigt, die die Ambivalenzen von Religion und Kritik noch einmal deutlich werden lassen.
Erstens: die einen Menschenrechte und die vielen Religionen?
Religionen und religionsähnliche Weltanschauungen haben in globalen Zusammenhängen der Spätmoderne gleichzeitig mit ihrem Bedeutungswandel einen spürbaren Zuwachs an Bedeutung erlangt.[6] Die Vorstellung eines linearen Fortschreitens in der Säkularisierung von Gesellschaften, verbunden mit ihrem technologischen, kulturellen und zivilisatorischen Fortschritt, ist damit noch einmal deutlicher obsolet geworden[7]: In einer säkular verfassten Gesellschaft entstehen dadurch „postsäkulare“[8] Dynamiken mit neuartigen religiösen Identitäts-, Macht- und Konfliktsphären. Diesen Dynamiken innerhalb religiös und weltanschaulich differenter Gesellschaften steht im demokratischen Rechtsstaat dennoch eine rechtliche Grundlage gegenüber, die auf den Menschenrechten im Allgemeinen sowie auf dem Recht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit im Besonderen beruht. Das Bewusstsein der einzelnen Menschen in all ihrer religiös-weltanschaulichen Verschiedenheit – so Jürgen Habermas – müsse deshalb „sich auf die Prämissen des Verfassungsstaats einlassen“.[9] Hier bildet sich ein struktureller Konflikt ab, der auf dem Universalitätsanspruch der Menschenrechte beruht. Denn dieser Anspruch begründet einen normativen Rahmen von Rechten, die allen Menschen – unabhängig von „Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Anschauung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand“[10] – allein aufgrund ihres Menschseins zukommen. Er bildet die Basis rechtsstaatlicher Verfassungen und somit demokratischer Gesellschaften insgesamt. In fast allen Bereichen – sowohl in der Dimension der sog. „Freiheits- und Abwehrrechte“, der „Freiheits- und Beteiligungsrechte“ als auch der „sozialen Rechte“[11] – haben die Menschenrechte eine übergreifende Struktur: die der rechtlichen Ausformung wie praktischen Durchsetzung von Freiheitsansprüchen Einzelner gegenüber Herrschaftsinstitutionen und -instanzen. Diese Struktur hat sich in ihrer historischen Entwicklung unterschiedlich ausgebildet: Im Zentrum stand und steht vielfach die Durchsetzung gegenüber staatlichen Institutionen – und eben auch Staatskirchen bzw. -religionen. Jedoch bereits am Beginn der historischen Entwicklung der Religionsfreiheit stand auch ein innerer Differenzierungsprozess von (christlicher) Religion, der den Freiheitsanspruch differenter religiöser Minderheitenbewegungen gegenüber einer dominanten, häufig mit dem Staat verbundenen Mehrheitskirche formulierte.[12]
Universalität und Egalität als Grundprinzipien der Menschenrechte standen und stehen jedoch nicht a priori fest, sondern sind in einem historisch-politischen Prozess entwickelt worden. Sie unterliegen auch in der Gegenwart weiteren Veränderungs- und Entwicklungsprozessen. So gab es bis zum Ende der Ost-West-Systempolarität einen andauernden Konflikt um den systematischen Vorrang zweier Menschenrechtsdimensionen – die kapitalistisch-liberalen Staaten des Westens und die (real-)sozialistischen Staaten des Ostens stritten um den Vorrang der Freiheitsrechte versus den der sozialen Grundrechte.[13] Heute lässt sich – neben einer generellen Skepsis oder Ablehnung gegenüber dem „westlichen Exportprodukt“ Menschenrechte – eine Tendenz von mehreren Staaten zu einem als Gruppenrecht gedachten Diffamierungsschutz für Religion feststellen, die ein individuelles, v.a. ein negatives Recht auf Religionsfreiheit klientelistisch unterwandern würde.[14] Skeptische bis ablehnende Stimmen gegenüber dem universalen Geltungsanspruch der Menschenrechte weisen darauf hin, dass ein „weltweit gültiger Rechtsanspruch (…) auch eine weltweit gültige Begründung“[15] verlangen würde, die es de facto nicht gibt. Dagegen kann ein realistischer und gleichzeitig auf die Substanz der Menschenrechtsidee konzentrierter Ansatz eingebracht werden. Denn es wäre eine unzulässige Vereinfachung, einerseits deren Universalität als kolonialisierendes Hegemoniestreben zu interpretieren und andererseits diese als „weltweit gültigen Rechtsanspruch“ zu stilisieren. Vielmehr lassen sich die Menschenrechte als ein auf Verständigungsprozessen (im Spektrum zwischen politischer Durchsetzung und Konsensbildung) beruhendes Konzept verstehen – mit in der Realität ausbaufähiger normativer Reichweite. Wichtig für ihr Verständnis ist es auch wahrzunehmen, was sie nicht sind: „Menschenrechte wollen weder ein umfassendes Ethos noch eine globale Einheitskultur durchsetzen noch gar eine für die gesamte Menschheit verbindliche Weltanschauung oder ‚Zivilreligion‘ zustande bringen“.[16] Vielmehr lässt sich – mit Heiner Bielefeldt – ihr universaler Anspruch als Prozess in der Bildung eines „overlapping consensus“[17] verstehen. Dieser „consensus“ macht – neben seinem prozesshaften Zugang, der die Menschenrechtsentwicklung u.a. im Kontext eines weltweiten interkulturellen Lernprozesses begreift – auch die kritische Dimension des Menschenrechtsdenkens deutlich, die die Religion(en) sowohl zum Objekt als auch zum Subjekt der Kritik machen kann: 1) durch ihren freiheitlichen bzw. befreienden Charakter gegenüber Herrschafts- und Dominanzstrukturen; 2) durch ihre Kritik an einer Toleranzkultur, die ihre (intolerante) Kehrseite verschleiert[18] sowie 3) durch ihre kritische Grenzziehung gegenüber kollektivem Anspruchsdenken: Die Grenzen der Rechtsansprüche einer Gruppe, eines Kollektivs, einer Gesellschaft sind dort, wo die Rechte des Individuums beginnen. Diese kritische Dimension wird allerdings für die von Grundrechtsverletzungen Betroffenen nur spürbar, wenn ein sich ausdifferenzierendes Menschenrechtsdenken auch in eine kommunikative Menschenrechtspraxis überführt wird:
„Der Kern (der Menschenrechte, Anm.d.Verf.) ist und bleibt von großer Schlichtheit, von geradezu ergreifender Einfachheit. (…) Vor allem Menschen, die erleben, dass man ihnen den Respekt verweigert, haben ein Sensorium dafür. Sie müssen nur die Chance haben, das zu artikulieren, damit ihre Erfahrung auch kommunizierbar wird. Erst durch die Kommunikation wird die Erfahrung im vollen Sinne real. (…) Menschenrechtspolitik hat ihre Kraft, sie hat auch ihre subversive Kraft.“[19]
In diesem Sinne kann eine menschenrechtlich fundierte staatliche wie gesellschaftliche Ordnung einen normativen Rahmen für interkulturelle und interreligiöse Lernprozesse bilden. Religionen werden durch sie nicht a priori in ihrem inhärenten Absolutheitsanspruch infrage gestellt, soweit er auf die innere Qualität und nicht auf die äußere Ausdehnung dieses Anspruches bezogen ist. Umgekehrt konkurriert der Universalitätsanspruch der Menschenrechte in keiner Weise mit der vielfältigen Ausprägung von (Welt-)Religionen, da er nicht die Globalisierung westlich geprägter Rechts- oder Kulturnormen bedeutet, sondern eine „innere Qualität von Rechten“ (Bielefeldt), die sie von partikularen Bedingungen unabhängig macht.[20] In diesem Sinne widersteht die universalistische Perspektive der Menschenrechte auch einer vorgängigen Definition des Gegenstandsbereiches ihrer Freiheitsrechte. Denn die Subjekte aller menschenrechtlichen Ansprüche sind nun mal – so trivial dies klingen mag –alle Menschen. Insofern ist auch der Gegenstand des Rechtes auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit so weit gefasst als möglich: Er umfasst eben nicht nur alle „Religion(en)“, sondern auch alle „Weltanschauungen“, die für das „Selbstverständnis der jeweils betroffenen Menschen – und zwar letztlich aller Menschen“[21] von Bedeutung sind.[22]
Zweitens: Religions- und Weltanschauungsfreiheit versus Toleranzpolitik
Die Entwicklung des Rechtes auf Religionsfreiheit kann als wesentlicher Bestandteil der historischen Entwicklung der Grund- und Freiheitsrechte in Europa insgesamt angesehen werden, ohne dabei der wirkmächtigen These von Georg Jellinek folgen zu müssen, der die Religionsfreiheit als „Keimzelle“ der historischen Menschenrechtsentwicklung insgesamt angesehen hat. Jellinek hat mit seinem „Beitrag zur modernen Verfassungsgeschichte“[23] zunächst die Aufmerksamkeit – neben der Entwicklung in Frankreich – auf die Verfassungsgeschichte der Vereinigten Staaten gelenkt. Jellinek sah in den Kämpfen der nordamerikanischen Protestanten um religiöse Unabhängigkeit den eigentlichen Motor für die Entwicklung:„Die Idee, unveräußerliche, angeborene, geheiligte Rechte des Individuums gesetzlich festzustellen, ist nicht politischen, sondern religiösen Ursprungs.“[24] Seine These von den christlich-jüdischen Wurzeln der Religionsfreiheit als Ursprung der Menschenrechte stieß auf heftige Kritik und ist in dieser Form nicht haltbar. Als ebenso unrichtig muss allerdings auch eine ausschließlich Rationalismus und Deismus verpflichtete Ursprungsthese angesehen werden; am ehesten dürfte wohl eine Hypothese, die von einer multifaktoriellen Entstehungsgeschichte ausgeht, der historischen Realität nahekommen: Hans Joas spricht in Bezug auf die nordamerikanische Entwicklung von einem Mix von aufklärungsrationalistischen und protestantisch-pietistischen Einflussfaktoren „mit einer Fülle von Überkreuzungen, Übergangsphänomenen sowie einer Bündnisbereitschaft auf allen Seiten.“[25] „Die Unabhängigkeitserklärung lässt sich deshalb weder eindeutig als deistisch noch als christlich klassifizieren. (…) Deshalb haben alle recht, die in diesem Text sowohl Spuren eines Aufklärungsrationalismus als auch eines biblisch fundierten christlichen Glaubens wahrnehmen“.[26] Eine wesentliche Rolle in der Rechtsprechung des Supreme Court nimmt jedenfalls die folgende Formulierung im 1. Zusatzartikel der „Bill Of Rights“ ein: „Congress shall make no law respecting an establishment of religion, or prohibiting the free exercise thereof.“[27] Bemerkenswert ist an dieser knappen und dennoch präzisen Formulierung, dass sie sowohl das Verbot einer staatlichen Einrichtung von Religion („establishment of religion“) als auch das Recht auf freie Religionsausübung („free exercise“) umfasst.[28]
Von mindestens ebensolcher historischer Bedeutung ist der qualitative Sprung von religiöser Toleranz zum Recht auf Religionsfreiheit. Die neuzeitliche Geschichte des Toleranzdenkens und der ihm entsprechenden Gesetzgebung erwuchs aus dem Zwang, ein friedliches Zusammenleben konfessionsverschiedener Populationen zu gewährleisten. Dieser Zwang entstand als Resultat einer aus der Reformation erwachsenen binnenchristlichen religiösen Differenz in Europa.[29] Religionsausübung war als Gruppenrecht nur auf bestimmte Bekenntnisse beschränkt[30], und diese waren wiederum diskriminierenden Beschränkungen unterworfen – wie z.B. den baulichen Beschränkungen für sog. „Toleranzbethäuser“. Die Angehörigen der tolerierten Religionsgemeinschaften bzw. Konfessionen waren außerdem auf eine private Form der Ausübung begrenzt, öffentliches Wirken blieb den jeweiligen Staatskirchen vorbehalten. In Frankreich brachte erst ein Edikt Ludwigs XVI. vom 28. November 1787 einige eingeschränkte Freiheiten für Angehörige protestantischer Kirchen. Dieses Edikt hinkte jedoch der Diskussion um Religionsfreiheit, die in Frankreich seit der Mitte des 18. Jahrhunderts geführt wurde, hinterher. Graf Mirabeau hat in seiner Rede vor der Nationalversammlung am 22.8.1789 die Entgegensetzung der Religionsfreiheit zur Toleranzpolitik des aufgeklärten Absolutismus klar formuliert:
„Ich will hier nicht von Toleranz predigen. Die völlig unbeschränkte Religionsfreiheit ist in meinen Augen ein so heiliges Recht, dass das Wort Toleranz, mit dem man es auszudrücken versucht, mir in gewissem Sinne schon tyrannisch vorkommt, denn bereits das Vorhandensein einer Macht, die Toleranz gewähren kann, beeinträchtigt die Gedankenfreiheit, weil sie eben nicht nur die Macht zu tolerieren, sondern ebenso die Macht nicht zu tolerieren, hat.“[31]
Die Entwicklung der verschiedenen französischen Verfassungen im Gefolge der Revolution zeitigte in unterschiedlicher Form und Präzision Formulierungen zur Religionsfreiheit. Die „Déclaration des droits de l’homme et du citoyen“ vom 26. August 1789, die dann die Einleitung der „Constitution“ vom 3. September 1791 bildete, formuliert in Artikel 10: „Nul ne doit être inquiété pour ses opinions, même religieuses, pourvu que leur manifestation ne trouble pas l’ordre public établi par la loi.“[32]Der Text des Artikel 10 zeigt, dass die „déclaration“ eine allgemeine „Freiheit der Anschauungen“ postuliert, innerhalb derer die „religiösen“ als eine Sonderform betrachtet werden.
Als für die Entwicklung und Durchsetzung des Rechtes auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit nach dem Zweiten Weltkrieg bedeutend möchte ich beispielhaft zwei Texte herausgreifen: zunächst den Artikel 18 der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“:
„Jeder Mensch hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht schließt die Freiheit ein, die Religion oder Überzeugung zu wechseln, sowie die Freiheit, die eigene Religion oder Weltanschauung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Kulthandlungen zu bekennen.“
Für diese Formulierung ist wesentlich, dass das Recht hier weit gefasst ist. Es umfasst negative („die Freiheit zu wechseln“) wie positive („die Freiheit zu bekennen“) Religions- und Weltanschauungsfreiheit. Es schützt nicht nur religiöse Überzeugungen, sondern umfasst mit Gedanken- und Gewissensfreiheit auch für die persönliche Identität grundlegende Überzeugungen – unabhängig von ihrer religiösen Dimension. Der Menschenrechtsausschuss der UN hat im „General Comment“ Nr. 22 (1993) dieses weit gefasste Verständnis nochmals bekräftigt: „Artikel 18 schützt theistische, nicht-theistische und atheistische Anschauungen sowie das Recht, sich zu keiner Religion oder Weltanschauung zu bekennen.“[33] Auch der Raum einer praktischen Ausübung dieser Überzeugungen ist bewusst weit gefasst; er betrifft neben Unterricht, Gottesdienst und Einhaltung von Geboten mit dem Wort „Praxis“ auch „Fragen der Bekleidung, der Ernährung und andere Bereiche einer von existenziellen Überzeugungen getragenen individuellen und gemeinschaftlichen Lebensführung“, wie Heiner Bielefeldt präzisiert.[34]
Für den europäischen Raum von grundlegender Bedeutung ist der Artikel 9 der „Europäischen Menschenrechtskonvention“ (EMRK):
„(1) Jedermann hat Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfaßt die Freiheit des einzelnen zum Wechsel der Religion oder der Weltanschauung sowie die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen öffentlich oder privat, durch Gottesdienst, Unterricht, Andachten und Beachtung religiöser Gebräuche auszuüben. (2) Die Religions- und Bekenntnisfreiheit darf nicht Gegenstand anderer als vom Gesetz vorgesehener Beschränkungen sein, die in einer demokratischen Gesellschaft notwendige Maßnahmen im Interesse der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral oder für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer sind.“
Diese Formulierung schließt an die „Allgemeine Erklärung“ an. Ein besonderer Akzent liegt in der Betonung der Verbindung zwischen Menschenrechten und demokratischen Gesellschaften. Bereits die Präambel der EMRK weist auf den Zusammenhang von Demokratie und Menschenrechten hin („… in Bekräftigung ihres tiefen Glaubens an diese Grundfreiheiten, >…< die am besten durch eine wahrhaft demokratische politische Ordnung sowie durch ein gemeinsames Verständnis und eine gemeinsame Achtung der diesen Grundfreiheiten zugrunde liegenden Menschenrechte gesichert werden“), und in der Folge sind die sog. „Schrankenregeln“ bei der Formulierung der Grundfreiheiten in den einzelnen Artikeln auf die Erfordernisse demokratischer Gesellschaften abgestimmt. Die Regel zur Einschränkung von „Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit“ ist in Abs. 2 bewusst negativ formuliert: keine Beschränkungen außer jenen, die „in einer demokratischen Gesellschaft notwendige Maßnahmen“ sind.[35]
Trotz seiner zentralen Rolle im gegenwärtigen Menschenrechtskanon steht dieses Recht aktuell gleich von zwei Seiten her unter Druck: zum einen – wenig überraschend – von Seiten eines religionspolitischen Klientelismus (der vielfach aus staatsreligiösen Konzepten und Entwicklungen resultiert) und zum andern von Seiten eines gesellschaftlich und/oder staatlich betriebenen Säkularismus, der Religion(en) und ihre gemeinschaftliche Ausübung aus den öffentlichen Räumen in rein individuelle Formen der Ausübung und in die nichtöffentliche Privatsphäre verdrängen will. Beide Seiten bedienen sich in ihren antiuniversalistischen und antiegalitären Konzeptionen der herkömmlichen Muster einer „Ökonomie der Toleranz“. Diese Entwicklung zeigt somit, dass der Weg von einer Toleranzpolitik zum Recht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit auch in der Gegenwart keineswegs als ein linearer und unumkehrbarer zu betrachten ist. Denn Toleranz wird in gegenwärtigen Diskussionen um den Status von Geflüchteten, religiösen Minderheiten und verletzlichen Bevölkerungsgruppen in Europa vielfach als angemessene Form einer Regelung von Verhältnissen zwischen der Mehrheit und den Minderheiten, zwischen den „Vollbürger*innen“ und den mit einer eingeschränkten Form von Bürger*innenrechten ausgestatteten Bevölkerungsgruppen, zwischen denjenigen mit sozialer Entscheidungs- sowie Handlungsmacht und denen ohne betrachtet. Der Begriff schränkt die Beziehung der dominanten Bevölkerungsgruppe zur Gruppe der jeweilig Anderen ein auf die Formen einer Duldung, die keine Akzeptanz oder gar Zustimmung miteinschließt. Statusunsicherheit – verbunden damit, dass den Betroffenen häufig der grundlegende Zugang zu Menschenrechten verschlossen bleibt, sprich: das Recht, Rechte zu haben verwehrt wird – führt zu deren Ausgrenzung. Und soziale Ausgrenzung verschärft wiederum ihre Statusunsicherheit – ein Teufelskreis, aus dem es oftmals kein Entkommen gibt. Hannah Arendt hat diese Mechanismen von Toleranzpolitik auch aufgrund ihrer eigenen Erfahrung (als Geflüchtete mit jüdischen Wurzeln in den USA angekommen) mit großer intellektueller Schärfe erkannt und beschrieben: „Die Unbeliebtheit der Flüchtlinge hat wenig mit ihrem Verhalten und viel mit dem zweideutigen legalen Status zu tun, unter dem sie, aber nicht nur sie leiden. (…) Niemand weiß recht, was man mit ihnen anfangen soll, wenn die Barmherzigkeit erst einmal zu ihrem notwendigen Ende gekommen ist.“[36] Eben dieser Zustand des Ausgegrenztseins aus dem Zugang zu grundlegenden Rechten macht Menschen in ihrer Verletzlichkeit ausgesetzt und überliefert sie als ohnmächtig gemachte Verletzliche dem, was Hannah Arendt „Barmherzigkeit“ genannt hat und was ich „Ökonomie der Toleranz“ nennen möchte.
Aus diesem Grund war und ist Toleranzpolitik ein Instrument für religiös, ideologisch, kulturell, ethnisch oder sozial uniformierte Gesellschaften, mit Differenz umzugehen.[37] Toleranz sorgt in einem als geschlossen imaginierten gesellschaftlichen System dafür, das Machtungleichgewicht zwischen der herrschenden Gruppe und den als deviant und minderwertig klassifizierten Gruppen stabil zu halten. Insofern ist Toleranz auf politischer Ebene von Toleranz als humanistisch-ethischer Norm zu unterscheiden. Als humanistische Idee wird sie häufig mit der Gleichberechtigungsnorm oder mit der Idee der Menschenrechte in eins gesetzt. Auf der Ebene praktischer Herrschaftsausübung jedoch handelt es sich bei einer Politik der Toleranz weniger um ein ethisches Postulat als vielmehr um ein wirksames Instrument, das im System einer uniformen bzw. als uniform gedachten Gesellschaft Gleichgewicht herzustellen versucht. Der Begriff „Ökonomie“ ist hier in einem übertragenen Sinne gebraucht: In der klassischen Ökonomie wird durch Wirtschaftsleistungen und Deckung materieller Bedürfnisse das Gleichgewicht eines sozialen Systems aufrechterhalten. In ähnlicher Weise besteht das Ziel einer Ökonomie der Toleranz darin, die Spannungen, die aus der sozialen, politischen wie kulturellen Ungleichbehandlung differenter Gruppen in einer Gesellschaft resultieren, durch Duldungs- und Abfederungsmaßnahmen so gering zu halten, dass das systemische Gleichgewicht erhalten bleibt.[38]
Ein aktuelles Beispiel für Toleranzökonomie mitten in demokratischen Gesellschaften der Europäischen Union, die sich eigentlich in ihrem politischen Handeln dem normativen Hintergrund der Menschenrechte (etwa durch die „Genfer Konvention“ oder die „Europäische Menschenrechtskonvention“) verpflichtet hätten, ist die Verknüpfung der Debatte um eine Aufnahme von Geflüchteten im Kontext der Flüchtlingswellen aus den Kriegsgebieten des Mittleren Ostens (Syrien und Irak) und Afghanistans mit religiösen Parametern: Im Zuge dieser Debatten wurde mehrmals von Politiker*innen die Zugehörigkeit einer Mehrheit der Geflüchteten zum Islam als Hinderungsgrund ins Treffen geführt und teilweise auch die Forderung nach Aufnahmekontingenten mit ausschließlich christlichen Geflüchteten aus Syrien gestellt. Begründet wurde das Einziehen solcher Beschränkungen mit den Angstgefühlen der Bevölkerung sowie mit Schwierigkeiten bei der Integration einer größeren Zahl von muslimischen Geflüchteten in eine mehrheitlich christlich orientierte Gesellschaft, was der Toleranz für Flüchtlinge Grenzen setze.
Zahllose weitere Beispiele ließen sich anführen. Ich möchte nur noch auf die vielfachen toleranzpolitischen Einschränkungen von Religions- und Weltanschauungsfreiheit aus staatsreligiösen Konzeptionen heraus verweisen: In islamisch geprägten Staaten etwa werden eingeschränkte religiöse Freiheiten nur den – nach traditionellem islamischem Verständnis – vor-islamischen und göttlich geoffenbarten Religionen (also dem Judentum und dem Christentum) gewährt. Für polytheistische, deistische Religionen bzw. atheistische Weltanschauungen ebenso wie für post-islamische Religionen (z.B. die im Iran verfolgten Baha’i) bleibt in diesem Toleranzkonzept kein Platz. Außerdem gilt der Wechsel von Muslimen zu einer anderen Religion oder deren Abkehr vom Glauben in islamisch geprägten Staaten nach wie vor als „Apostasie“ und zieht Sanktionen in unterschiedlicher Härte nach sich.[39] Und dies, obwohl viele islamisch geprägte Staaten mittlerweile den „Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte“ der UN unterzeichnet haben, der in Art. 18 ausdrücklich das Recht auf „Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit“ garantiert. Auch nicht islamisch geprägte Staaten betreiben Toleranzpolitik, indem sie die Gewährung religiöser und weltanschaulicher Freiheiten auf eine Liste staatlich tolerierter Religionen reduzieren und selbst diese massiven Beschränkungen oder Repressionen aussetzen. Russland etwa definiert in seinem Religionsgesetz von 1997 vier traditionelle Religionen bzw. Konfessionen: russische Orthodoxie, Islam, Judentum sowie Buddhismus und anerkennt die besondere Rolle der Orthodoxen Kirche. Die Zeugen Jehovas hingegen werden als „extremistisch“ eingestuft, und die Mitglieder werden besonderen Repressalien unterworfen.[40] Jedoch auch eine atheistische staatliche Weltanschauung produziert repressive Toleranzpolitik: Die Volksrepublik China anerkennt z.B. nur fünf Religionen bzw. Konfessionen, und die Verfolgung anderer ethnisch-religiöser Minderheiten bzw. Gemeinschaften wie der Uiguren, Kasachen sowie verschiedener muslimischer Gruppierungen durch staatliche Organe ist mittlerweile allgemein bekannt.[41]
Drittens: Religionskritik und Religions- bzw. Weltanschauungsfreiheit –
Konvergenzen und Divergenzen
Im Kontext unserer Fragestellung wäre es weder angemessen noch sinnvoll, ausschließlich auf bestimmte inhaltliche wie formale bzw. theoretische wie praktische Ausformungen von Religionskritik Bezug zu nehmen. Es erscheint mir in diesem Zusammenhang auch nicht angemessen, auf eine konkrete Definition des Begriffes „Religionskritik“ zurückzugreifen. Dem entsprechend soll auch den Ausführungen in diesem dritten Teil ein möglichst weiter und wenig definitorischer Zugang zu „Religion“ bzw. „Religiosität“ zugrunde gelegt werden. Im Hinblick auf die ungeheure Vielfalt und Diversität religiöser Traditionen, Institutionen, Riten, Glaubensüberzeugungen und individueller Erfahrungen, die sich gerade im Kontext des bereits angesprochenen Bedeutungszuwachses von Religion in der Gegenwart nochmals deutlicher abbildet, würde jede definitorische Einschränkung Gefahr laufen, kulturell, sozial oder ideologisch geprägte (Vor-)Urteile zu transportieren. Gleichzeitig ist jedoch eine perspektivlose, sich den Anschein von „Objektivität“ gebende Darstellung schlicht unmöglich. Die notwendige perspektivische Einschränkung des Gegenstandes „Religionskritik“ erfolgt hier dadurch, dass die Darstellung auf einige mögliche Konvergenzen und Divergenzen im Verhältnis zum Menschenrecht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit fokussiert ist.
Ich werde deshalb im Folgenden nur auf den gemeinsamen Entwicklungskontext beider in der Epoche der Aufklärung hinweisen, um dann – beispielhaft – einige für die aktuellen Diskurse relevanten Konvergenzen wie Divergenzen zwischen Religionskritik und diesem so zentralen Freiheitsrecht zu diskutieren.[42]
Die Aufklärung war in weiten Teilen ihres Selbstverständnisses nicht nur eine philosophische, sondern eine gesamtgesellschaftliche Bewegung, mit der der „Ausgang des Menschen aus der selbst verschuldeten Unmündigkeit“[43] nicht nur für kognitive Eliten, sondern für die breite Mehrheit der Bevölkerung vorangetrieben werden sollte. Die kritische Auseinandersetzung mit „der Religion“ ihrer Zeit[44] war über alle ihre Strömungen und Schattierungen hinweg ein zentrales Anliegen und Thema der Aufklärung – sei es in ihren radikal religionskritischen bis atheistischen, sei es auch in ihren religionsfreundlichen bis protestantisch-reformatorischen Ausprägungen. Das breite Spektrum dieser Ausprägungen zeigt, dass der Teilbegriff der „Kritik“ bezogen auf „Religion“ zunächst neutral als Feststellung von deren Diskurs- und Begründungspflichtigkeit sowie als Prozess der Überprüfung von Möglichkeiten und Grenzen einer rationalen Begründbarkeit ihrer Aussagen zu verstehen ist. Religionskritik prägt sich bereits seit der Aufklärung aus in verschiedene Zwischenformen im Spektrum zwischen einer externen und einer internen Kritik.[45] Dabei muss das polarisierende Vorurteil „einer religionskritischen französischen Tradition und einer der Religion freundlichen Tendenz in Deutschland“ deutlich relativiert werden.[46]
Voltaires Religionskritik etwa trägt in ihrer Argumentationsform – trotz aller Schärfe ihrer Kritik an den obskurantistischen und vernunftfeindlichen Zügen der Schriftreligionen und am absoluten Herrschaftsanspruch der katholischen Kirche – immer wieder die Züge einer Annäherung an die internen Prämissen und Verstehensvoraussetzungen von Religion. Ein herausragendes Beispiel dafür ist das „Gebet“ im 23. Kapitel seines „Traktats über die Toleranz aus Anlass des Todes von Jean Calas“ („Traite sur la Tolerance a l’occasion de la mort de Jean Calas“, 1763), in dem er sich an den „Gott aller Wesen und aller Zeiten“ wendet und ihn um Brüderlichkeit statt Hass, um das Bewusstsein für die Bedeutungslosigkeit aller Unterschiede bittet: „(…) daß kleine Verschiedenheiten unter den Bedeckungen unsrer schwachen Körper, unter unsern unvollständigen Sprachen, unter unsern lächerlichen Gebräuchen, unsern mangelhaften Gesetzen, unsern törichten Meinungen, unter allen in unsern Augen so getrennten und vor Dir so gleichen Ständen, daß alle diese kleinen Abweichungen der Atome, die sich Menschen nennen, nicht Losungszeichen des Hasses und der Verfolgung werden!“[47] Besonders in dieser Passage zeigt sich, wie Voltaires deistische Gottesvorstellung eine Brücke zum universalistischen Egalitätsparadigma der Menschenrechte schafft und wie er im Kontext seiner Vernunftreligion bisher als „gottgegeben“ verstandene Standes- und Religionshierarchien relativiert und sie sich im Lichte eines universalen Prinzips – des „Gottes aller Wesen und Zeiten“ – als „lächerlich“, „mangelhaft“ und „töricht“ erweisen. Aus diesem von einem universalen „Gottesprinzip“ abgeleiteten Gleichheitsdenken resultiert für Voltaire unmittelbar sein Plädoyer für die Freiheit jedes Menschen, sich zu seiner je eigenen Religion zu bekennen und sie zu praktizieren: Denn Anlass des Traktates war der Justizmord an Jean Calas, einem hugenottischen Bürger von Toulouse, der verdächtigt worden war, dass er seinen Sohn, der zum Katholizismus übergetreten war, erhängt habe. Voltaires Schrift führte dazu, dass das Verfahren nach dessen Tod wiederaufgenommen und Calas rehabilitiert wurde.[48]
Gleichzeitig birgt eben dieser Denkansatz, der von der „steilen“ Transzendenz eines „Gottes aller Wesen und Zeiten“ ausgeht, die Gefahr in sich, den Menschen in einer nivellierenden Form klein zu machen (Voltaire spricht von „Atomen, die sich Menschen nennen“) und unterschiedliche Glaubensvorstellungen, religiöse Dogmen, Rituale und Lebensregeln als „lächerlich“ bzw. irrelevant zu qualifizieren – also eine „supranaturale Verachtung des Menschen“ als mögliche Konsequenz einer solchen Gottesidee[49], die sich auch auf die verschiedenen historischen Ausformungen von Religion ausdehnen kann, zu denen Menschen sich bekennen. Hier eröffnet sich eine mögliche Divergenz zwischen einer deistisch oder atheistisch begründeten Religionskritik und dem Menschenrecht auf Religions- bzw. Weltanschauungsfreiheit. Denn gerade aktuelle Formen einer radikal säkularistischen Religionskritik ziehen häufig praktische Konsequenzen aus einer solcher „Verachtung“: Religiöse Symbole, Riten, Bekleidungsvorschriften etc. sollten als „fortschrittsfeindlich“ verpönt und aus den öffentlichen Räumen verbannt werden. Diese Konsequenz steht in vielen Fällen im Widerspruch zu jenem Menschen- und Grundrecht, wie es in Europa formuliert wurde und auch (völker-)rechtlich verbindlich ist. Die sog. „Kopftuchverbote“ und die gesellschaftliche Diskussion darum stellen nur einen Teilbereich dieses Spannungsfeldes dar[50], denn: „Religiöse Symbole sind vielfältig. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen aber nur wenige. Insbesondere der Umgang mit islamischen Symbolen ist von Vorurteilen geprägt, die es vor allem muslimischen Frauen erschweren, ihren Platz in der Gesellschaft zu finden.“[51] Der Konflikt zwischen einer übergeordneten (staatlichen) Rationalität und der davon abweichenden Semantik religiöser Symbole und Riten kann in extremis auch ausweglos erscheinen – zum Beispiel am Höhepunkt der sog. „Corona-Krise“: Ein Dekret der italienischen Regierung vom 8. März 2020 zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung von Ansteckungen verbot landesweit sämtliche religiösen Zeremonien, insbesondere auch die Feier von Begräbnissen und Gottesdiensten. Darauf regte sich Widerstand in der Bevölkerung und im katholischen Klerus. Einzelne Priester verstießen bewusst gegen das Verbot, feierten allein oder mit wenigen Gläubigen und wurden bei den Behörden angezeigt.
Gotthold Ephraim Lessings „Ringparabel“, eingebettet in das „dramatische Gedicht“ „Nathan der Weise“, formuliert dessen Religionskritik im Kontext der Aufklärung vor dem Hintergrund eines anderen Religionsverständnisses als Voltaires „Gebet“. Mit der Parabel übernimmt Lessing in abgewandelter Form die „kleine Geschichte“ aus der III. Novelle des ersten Tages in Giovanni Boccaccios Novellensammlung „Decamerone“[52] und bettet sie in sein spezifisches, kritisches Verständnis von der prinzipiellen Gleichrangigkeit der drei „abrahamitischen“ Religionen Judentum, Christentum und Islam ein. Diese prinzipielle Gleichrangigkeit ist gleichzeitig Kritik des Anspruches auf äußere Absolutheit und Vorrangigkeit, gleich welche der drei diesen Anspruch auch erheben sollte. Er unterscheidet deshalb in der dramaturgischen Konzeption des Stückes klar zwischen Selbstbild und gelebter Praxis der einzelnen Religionen auf der einen und der prinzipiellen Gleichrangigkeit auf der anderen Seite: Explizite Kritik wird nur am Christentum geübt, allein schon durch Nathans Bericht über ein Pogrom von Christen, dem dessen Frau und seine sieben Söhne zum Opfer gefallen sind.[53] Kritik an Judentum und Islam inszeniert Lessing indirekt, durch die Haltungen und das konkrete Verhalten der sie repräsentierenden Personen. So etwa hat Nathan, bevor er die Parabel erzählt, klargestellt, dass für ihn eine strikt orthodoxe Form des praktizierten Judentums nicht in Frage komme: „(…) So ganz / Stockjude seyn zu wollen. – geht schon nicht“.[54] Nathans Ziehtochter Recha, die christlich getauft, jüdisch erzogen und Tochter eines Muslims ist, verkörpert als einzige Figur im Stück die Verbindung aller drei Offenbarungsreligionen.
Das verbindende Element aller drei Religionen in all ihrer Verschiedenheit ist für Lessings Nathan dem entsprechend nicht ein hoch transzendent gedachter Gott oder ein Vernunftprinzip, sondern der einzelne Mensch, das konkrete Menschsein der einzelnen Angehörigen einer Religion bzw. eines „Gottesvolkes“, wie es Nathan im Streitgespräch mit dem Tempelherrn explizit zum Ausdruck bringt:
„(…) Wir haben beide
Uns unser Volk nicht auserlesen. Sind
Wir unser Volk? Was heißt denn Volk?
Sind Christ und Jude eher Christ und Jude
Als Mensch? (…)“[55]
Hier liegt Lessings Kritik am Anspruch auf Dominanz und Absolutheit einer jeweils herrschenden Religion näher an der Konzeption des Menschenrechts auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit als die von Voltaire, weil sie ihre Begründung am konkreten Menschsein des einzelnen Menschen ansetzt und nicht am transzendenten Prinzip eines „Gottes aller Wesen und Zeiten“ wie Voltaire. Damit schlägt diese am Menschsein des Menschen als Individuum ansetzende Kritik eine Brücke zur Religionsfreiheit als Individualrecht, das sowohl gegenüber staatlichen als auch gegenüber religiösen und kirchlichen Herrschaftsansprüchen geltend gemacht wird. Sie erliegt nicht im selben Maße der Gefahr einer Aufhebung der je verschiedenen, historisch gewordenen Glaubensüberzeugungen, Riten und Gebote einer „positiven Religion“ durch das abstrakte, vernunftgemäße Prinzip einer „natürlichen Religion“. Vielmehr plädiert Lessing für eine „vernunftgemäße“ Praxis der je eigenen überkommenen Religion oder Weltanschauung, wenn er Nathan zu dessen eigenem religiösen Selbstverständnis sagen lässt: „(…) So ganz / Stockjude seyn zu wollen. –geht schon nicht – / Und ganz und gar nicht Jude geht noch minder. (…)“[56]
Bereits im Vergleich dieser beiden Beispiele für verschiedene Ausprägungen von Religionskritik in der Epoche der Aufklärung zeigen sich die deutlichen Unterschiede in der Wahrnehmung des Gegenstandsbereiches Religion. Im Kontext der ethnischen, kulturellen, sozialen wie religiös-weltanschaulichen Heterogenität der gegenwärtigen Gesellschaften sind diese Unterschiede in den Zugängen noch ausgeprägter und differenzierter geworden. Einerseits gibt es neuere religionskritische Bewegungen, die auf die veränderte und neuerlich gewachsene Bedeutung von Religionen in den scheinbar bereits „durchsäkularisierten“ Gesellschaften des europäischen Westens reagieren. Dazu gehören areligiöse und atheistische Bewegungen, die nicht zuletzt vor dem Hintergrund der verschiedensten religiösen Fundamentalismen – sei es eine „Renaissance“ der katholischen Antimoderne, seien es evangelikale Bewegungen in allen Teilen der Welt oder unterschiedliche Ausprägungen eines „Islamismus“ – zu verstehen sind. Ein Beispiel dafür sind die sog. „Brights“, eine Sammelbewegung, deren Proponenten jegliche Dimension des Übernatürlichen ablehnen. Prominente Vertreter dieser Bewegung sind Richard Dawkins oder der US-amerikanische Philosoph Daniel Dennett. In Dennetts radikal naturalistischem Welt- und Menschenbild nimmt jede religiöse Gottesvorstellung den Platz ein, der s.E. allen unüberprüfbaren Behauptungen zukommt: „We brights don’t believe in ghosts or elves or the Easter Bunny — or God. We disagree about many things, and hold a variety of views about morality, politics and the meaning of life, but we share a disbelief in black magic — and life after death.“[57] Wesentlich ist auch der Anspruch der „Brights“, der organisierte und sich artikulierende Teil einer „schweigenden Mehrheit“ zu sein und daraus in einer stark religiös geprägten Gesellschaft wie den USA politische Forderungen abzuleiten; dazu nochmals Dennett: „Whether we brights are a minority or, as I am inclined to believe, a silent majority, our deepest convictions are increasingly dismissed, belittled and condemned by those in power — by politicians who go out of their way to invoke God and to stand, self-righteously preening, on what they call ‚the side of the angels‘.“[58] Gegen diese fundamentale, naturalistisch begründete Form der Religionskritik hat sich wiederum Kritik geregt – so etwa durch den österreichischen Philosophen Peter Strasser aus einer agnostischen Perspektive heraus.[59] Er stellt – auf die Reaktion der „Brights“ zu seinem Buch reagierend – fest: „Die große Tradition der europäischen Aufklärung hat sich heute bei den Gebildeten unter den Religionsverächtern häufig zu einer Art Naturwissenschaftlichkeitsideologie sowohl verengt als auch verhärtet.“[60] Eine „Helligkeit“ („brightness“), die dieser Tradition der Aufklärung gerecht werden will, müsste s.E. einen kruden Naturalismus hinter sich lassen und den „metaphysischen Ursprungsort“ (Peter Strasser) von menschlicher Würde als Voraussetzung aufklärerischen Denkens anerkennen. Strasser bezieht sich hier explizit auf Kant und auf dessen Verständnis von Menschenwürde als philosophischer Grundlage menschenrechtlicher Prinzipien.
Im Kontext der internationalen Auseinandersetzungen um divergente Verständnisse und Praktiken internationalen Menschenrechtsschutzes, angesichts der wachsenden Größe und Bedeutung muslimischer Minderheiten in Europa und der Herausforderung weltweiter kriegerischer und terroristischer Aktivitäten islamistischer Bewegungen wie des sog. „Islamischen Staates“ ist die „Islamkritik“ ein herausragender Topos der Religionskritik der Gegenwart geworden. An der (medialen) Oberfläche vollziehen die Kontroversen um „den Islam“ die Rituale eines hoch eskalierten Konfliktes mit pauschalen (Ver-)Urteil(ung)en: Auf der einen Seite wird z.B. „Islamophobie“ als „schlimmste Form des Terrorismus“[61] qualifiziert, auf der anderen ist etwa von einem „islamischen Faschismus“[62] die Rede. Ich möchte hier auf eine spezielle, mir wesentlich erscheinende Facette einer auf „den Islam“ bezogenen Kritik Bezug nehmen: nämlich auf die bereits seit Längerem kontrovers diskutierte Frage um die Verhältnisbestimmung zwischen verschiedenen Ausformungen des Islams und der universalen Geltung der Menschenrechte. Seit 1981 wurden mehrere islamische Menschenrechtserklärungen formuliert[63], die einerseits die Gewährung zahlreicher Menschenrechte zum Ausdruck bringen, jedoch andererseits zumeist den Vorrang des Islam als Weltreligion postulieren und das islamische Recht (die „Scharia“) zum grundlegenden Interpretationsschlüssel für das Verständnis der Menschenrechte machen. Dementsprechend verneinen sie auch – teils implizit, teils explizit – die Prinzipien von universaler Geltung der Menschenrechte und prinzipieller Gleichheit aller Menschen (unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit) als Rechtssubjekte. Die Problemfelder dieser Erklärungen sind vielfach kritisch beleuchtet worden: der behauptete Primat des Islam als „Weltreligion“, die Ableitung der Menschenrechte vom göttlichen Recht, fehlende „realisierbare Normen und gültige, einklagbare Rechtssätze“[64] sowie das Fehlen zentraler menschenrechtlicher Normen wie rechtliche Gleichstellung der Geschlechter oder volle (also auch negative) Religions- und Weltanschauungsfreiheit.[65] Zu den problematischen Auswirkungen eines solchen religionspolitischen Suprematieanspruches religiöser Prinzipien und islamischen Rechts gehören die diversen Versuche, sog. „Blasphemieverbote“ bzw. einen „Ehrschutz“ für Religionen und religiöse Institutionen auf internationaler Ebene zu verankern. Die UN-Sonderberichterstatter haben sich teilweise eingehend mit dieser Debatte (die auch im Zusammenhang der Reaktionen auf die sog. „Mohammed-Karikaturen“ bes. heftig geführt wurde) beschäftigt und haben am 22.4.2009 ein „Joint Agreement“ unter dem Titel „Freedom of expression and incitement to racial or religious hatred“ geschlossen, in dem sie ihre Bedenken gegenüber „Blasphemieverboten“ formulieren und darin die Gefahr der Zensur von Religionskritik erblicken.[66] Auch Heiner Bielefeldt hat sich in seiner Rolle als UN-Sonderberichterstatter für Religions- und Weltanschauungsfreiheit mehrmals ablehnend gegenüber „Blasphemieverboten“ und überschießendem Ehrschutz für Religionen ausgesprochen.[67]
Eine andere Stellung nimmt die überarbeitete Fassung der „Arabischen Charta der Menschenrechte“ ein, die 2004 von der „Arabischen Liga“ an ihrem 16. Gipfeltreffen verabschiedet wurde. Die Überarbeitung der bestehenden Arabischen Menschenrechtscharta von 1994 wurde durch die „Permanent Arab Human Rights Commission“ (PAHRC) übernommen. Die PAHRC wurde in ihrer Arbeit am Entwurf vom UN-Hochkommissariat für Menschenrechte (UNHCHR) unterstützt. Zudem waren internationale und regionale Menschenrechtsorganisationen eingebunden und konnten Empfehlungen unterbreiten, und viele Empfehlungen von außen wurden auch tatsächlich in die Überarbeitung der Charta aufgenommen.
Neben dem Spektrum von kritischen Stimmen aus den westlichen Demokratien zu den offiziellen, sich am Islam orientierenden Menschenrechtsdokumenten gibt es auch eine Reihe von kritischen Stimmen aus muslimischen Kontexten, die für eine prinzipielle Neuorientierung in der muslimischen Menschenrechtsdebatte und -praxis eintreten. Einerseits sind es „„Individuen, die sich außerhalb der herrschenden Eliten situieren und sich vom Islamismus, arabischem Nationalismus und den verschiedenen, noch existierenden Spielarten kommunistischer Residuen abgrenzen“[68]. Andererseits ist es aber auch die Kritik von Initiativen und Organisationen, die sich in ihrem praktischen Engagement für die Verwirklichung von universalen und egalitären Menschenrechten in islamischen Ländern einsetzen. Expert*innen schätzen, dass sich ca. 200 Menschenrechtsorganisationen unterschiedlichster ideologischer Ausrichtungen in muslimischen Ländern – häufig unter schwierigsten Bedingungen – für Folteropfer, politisch Verfolgte, Inhaftierte einsetzen, Machtmissbrauch und Behördenwillkür anprangern und die Öffentlichkeit ihrer Länder für Menschenrechte sensibilisieren. Ich nenne hier nur stellvertretend für viele zwei Beispiele: die “Arab Organization for Human Rights“[69] und die „Instance Equité et Réconciliation“ (IER), die im Jahr 2004 von König Mohammed VI. eingesetzte „Versöhnungskommission“.[70] Selbst ein nur beispielhafter Einblick in diese bereits lang andauernde Debatte zeigt, dass die Wirkungsgeschichte der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“[71] in den muslimischen Kontexten deutliche, jedoch auch differenzierte Akzente der Religionskritik hervorgebracht hat. Auch islamistischer Terror und autokratische staatsreligiöse Politiken konnten diese Kritik und die von ihr hervorgerufene subversive Praxis der Menschenrechte nicht zum Verstummen bringen.
Andererseits: Um dem Anspruch einer Sensibilität der Kritik für eigene Ambivalenzen gerecht zu werden, ist die auf islamische Kontexte bezogene europäische Religionskritik gehalten, wahrnehmungskritisch zu sein. Sie wird ihre eigenen Verstehensvoraussetzungen reflektieren müssen, um zu einem realistischen, differenzierten Bild einer ihr „fremden“ und in sich stark ausdifferenzierten „Welt-Religion“ zu gelangen. Erst so wird sie dem Anspruch einer – auch über sich selbst – aufgeklärten Kritik gerecht werden können. Beispiele dafür finden sich in der (selbst)kritischen Aufarbeitung der Geschichte der Islamwissenschaften sowie der literaturhistorischen Aufarbeitung der Rezeptionsgeschichte orientalischer „Poesie“ von der Aufklärung bis ins 20. Jahrhundert: Die Vorstellung vom unaufhaltsamen Aufstieg der europäischen Kultur der Neuzeit ist eng mit dem Bild vom gleichzeitigen Niedergang der islamischen Kulturen verbunden. Diese Vorstellung wurde von zahlreichen wissenschaftlichen wie kulturellen Topoi gestützt, die im 19. Jahrhundert zu Allgemeinvorstellungen in den europäischen Gesellschaften wurden. So etwa der Topos vom Niedergang der arabisch-islamischen Philosophie nach Averroes: „Zusammen mit der Narration eines Aufstiegs der europäischen Philosophie seit dem 13. Jahrhundert kam die Idee auf, dass sich die Philosophie in der islamischen Welt im gleichen Zeitraum im Niedergang befand.“[72] Neben einer Geringschätzung der arabisch-islamischen Philosophie etwa bei Hegel[73] hat v.a. der französische Schriftsteller und Orientalist Ernest Renan mit seinen Publikationen in der Tradition der französischen Aufklärung[74] zu diesem Bild beigetragen, indem er die Frontstellung der französischen Aufklärung gegen den antiaufklärerischen Geist der katholischen Kirche auf die arabische Welt des 12. Jahrhunderts projizierte.[75] Ein – im Übrigen falsches – Bild, das bis heute die Vorstellung europäischer Religionskritik am Islam mitbestimmt hat.[76]
Das europäische Bild des „Orients“ zeichnet sich bereits seit der Aufklärung durch heftige Ambivalenzen aus: auf der einen Seite ein positiv bis verklärend-poetisches Bild vom „Orient“[77], auf der anderen die kolonialistische Vorstellung vom dekadent-despotischen Orient, dem die Segnungen eines modernen, in Technik, Wissenschaft, Philosophie und Aufklärung weit fortgeschrittenen Europa gebracht werden sollten.[78] Auf ihre scheinlogische Spitze getrieben wurde diese Vorstellung in der Verknüpfung solch kolonialer Überlegenheitsphantasien mit dem nun rassisch unterlegten, neuen Antisemitismus. Wiederum war es ein zu seiner Zeit angesehener Orientalist, der diese Verknüpfung herstellte: Paul de Lagarde. Aus der wertenden Gegenüberstellung von minderwertigerem „Semitentum“, mit dem die „dekadente“ Kultur des „Orients“ völkisch-rassisch kategorisiert wurde, und „indoeuropäischen“ bzw. „arischen“ Völkern entwickelte Paul de Lagarde seine antisemitischen Thesen, die einen nicht unwesentlichen Aspekt des rassistisch orientierten Antisemitismus ausmachten.[79] Doch auch verklärend-poetische Aneignungen der „orientalischen“ Literatur sind nicht ohne kolonialen Subtext und ohne paradoxe Rückwirkungen ihrer kulturellen Dominanz auf „den Orient“ geblieben. So hat die Sammlung und Übersetzung der Erzählungen von „Tausendundeine Nacht“ durch den französischen Diplomaten und Numismatiker Antoine Galland[80] dazu geführt, dass die ursprüngliche Gestalt der orientalischen Geschichtensammlung von „Tausendundeine Nacht“, die nur aus 282 (!) Nächten bestand, heute auch in Ägypten, im Iran oder Irak weitgehend unbekannt ist. Es ist die – weit umfangreichere – Sammlung von Galland, der den Titel beim Wort nahm und tatsächlich aus verschiedensten orientalischen Quellen tausendundeine Erzählungen zusammentrug, die als das Juwel altorientalischer Erzählliteratur gilt.[81] Diese Ambivalenzen gilt es, (selbst)kritisch zu reflektieren, wenn sich Religionskritik aus europäischen Traditionen heraus mit aktuellen Entwicklungen im Islam auseinandersetzt. Denn diese Stereotype wirken bis in die Gegenwart hinein auf deren Verstehensvoraussetzungen und führen nicht selten zu unzulässigen Vereinfachungen wie etwa der polarisierenden Gegenüberstellung zwischen „fundamentalistischem“ und „liberalem“ Islam oder zu der Verwendung des Containerbegriffs vom „politischen Islam“; dazu ’Abd al-Hakeem Carney: „Die Wahrnehmung des Islam als eine im Grunde politische Religion ist ebenso weit verbreitet wie die Annahme, dass mit ‚politischem Islam‘ stets die Idee der Errichtung eines auf mittelalterlichen Prinzipien beruhenden Gottesstaates gemeint ist. Der Begriff ‚politischer Islam‘ bezieht sich jedoch genauso auf die Reformer im Iran wie auf die Anhänger des autoritären Regimes“.[82]
Abschließend möchte ich noch einige Aspekte der Konvergenz zwischen Religionskritik und Religions- bzw. Weltanschauungsfreiheit zusammenfassen. Angesichts der Präsenz und Wirkung von Religiosität und Religionsgemeinschaften im privaten wie öffentlichen Bereich von Gesellschaften kommt der Religionskritik eine wesentliche Aufgabe zu, und zwar in zwei Richtungen: Im normativen Rahmen der gleichberechtigten Vielfalt von Religionen, religionsähnlichen Bewegungen und areligiösen Weltanschauungen weist sie jegliche Ansprüche einzelner auf Dominanz oder Vorrangigkeit zurück. Andererseits befragt sie deren Erklärungssysteme wie Normansprüche auf ihre Legitimität und rationale Begründbarkeit. Ähnlich wie auch im Bereich der Religions- und Weltanschauungsfreiheit kann man in der Religionskritik eine positive wie eine negative Zielrichtung unterscheiden[83]: Alle Formen einer negativen oder ablehnenden Religionskritik werden die Erklärungssysteme und Geltungsansprüche entweder aller oder bestimmter Religionen kritisch befragen und von einem areligiösen, antireligiösen oder postreligiösen Standpunkt aus zurückweisen. Dem gegenüber wird eine positive oder evaluierende Religionskritik alle oder bestimmte Religionen vom Standort einer prinzipiellen Zustimmung zu ihren Prämissen her einer partiellen oder auch fundamentalen Kritik unterziehen. Neben diesen idealtypischen Kategorien gibt es eine Vielzahl von Mischformen oder anders gearteten Zielrichtungen.
Eine wesentliche Form möchte ich noch hervorheben: die der rahmensetzenden Kritik, die Legitimität und Rationalität in Bezug auf die Möglichkeiten und v.a. auf die Grenzen religiöser Normsetzungen bestimmen will. Die Kategorie einer rahmensetzenden Kritik ist in einem hohen Ausmaß konvergent mit den normativen Rahmensetzungen der Menschenrechte, insbesondere von Religions- und Weltanschauungsfreiheit. Der Normenrahmen der Menschenrechte wird z.B. wirksam in der Definition einer „religiös-weltanschaulichen Neutralität“ des säkularen Rechtsstaates.[84] Ziel dieser Neutralität ist die Ermöglichung der gleichberechtigten Inanspruchnahme aller Formen von Religionen und Weltanschauungen durch alle Menschen in diesem Staat. Wenn ein Staat sich mit einer Religion oder Weltanschauung als der staatstragenden identifiziert, wird er gegenüber anderen, davon abweichenden religiösen oder areligiösen Überzeugungen Toleranzpolitik in Form einer hierarchisch abgestuften Gewährung von eingeschränkten Freiheiten betreiben. Die Bindung an den normativen Rahmen der Menschenrechte verpflichtet den Staat hingegen auf eine respektierende Form der „Nicht-Identifikation“ (Heiner Bielefeldt) gegenüber allen Weltanschauungen seiner Bewohner*innen. „Das Prinzip der respektvollen Nicht-Identifikation weist den freiheitlichen Rechtsstaat als bescheiden und anspruchsvoll zugleich aus. Die Bescheidenheit zeigt sich in der inhaltlichen Selbstbeschränkung seines Geltungsanspruches: Der Staat ist weder Heilsinstrument noch Instanz einer umfassenden Sinnorientierung.“ Auf der anderen Seite „beansprucht der Staat für das von ihm gesetzte säkulare Recht einen praktischen Geltungsvorrang, der ggf. auch gegenüber konkurrierenden Vorstellungen religiösen Rechts durchgesetzt werden muss.“[85] In diesem Sinne gewährleisten die Menschenrechte einen normativen Rahmen für Weltanschauungen und Religionen, der m.E. weitgehend mit der rahmensetzenden Funktion der Religionskritik in eins geht.
Eine weitere Form einer idealtypischen Kategorisierung von Religionskritik ist die Unterscheidung nach internen oder externen Maßstäben der Kritik: Formen der internen Kritik gehen von den Prämissen des jeweiligen religiösen semantischen Gefüges aus und erarbeiten Inkonsistenzen zwischen verschiedenen dogmatischen Aussagen oder Divergenzen zwischen dem theologischen Sinn einer Norm und der konkreten Realisierung dieses Anspruchs in ihren jeweiligen institutionellen Strukturen. Die externe Kritik geht von Prämissen aus, die entweder in der jeweiligen Religion nicht der Orthodoxie bzw. dem „Mainstream“ entsprechen oder die von außen an sie herangetragen werden bzw. zu ihr in Widerspruch stehen. Beide Formen der Kritik, interne wie externe, können sowohl von Akteur*innen, die außerhalb des sozialen Gefüges der jeweilen Religionsgemeinschaft stehen, geübt werden, wie auch von Akteur*innen, die dem sozialen Gefüge der Religionsgemeinschaft angehören. Wissenschaftliche Theologien beispielsweise haben natürlich die Aufgabe interner Kritik, also einer kritischen Klärung und Evaluierung religiöser Lehrsätze und Praktiken auf der Basis der immanenten Prämissen der jeweiligen Religion. Darüber hinaus prüfen sie aber auch Positionen der Orthodoxie in einem kritischen Dialog mit abweichenden oder Minderheitenpositionen innerhalb dieser Religion auf ihre Reichweite und Konsistenz. Dies kann dazu führen, dass im Laufe der theologiegeschichtlichen Entwicklung theologische Minderheitenpositionen in den Mainstream einer Religion übernommen werden. So sind z.B. Positionen der sog. „Befreiungstheologien“ seit dem Pontifikat von Papst Franziskus integraler Bestandteil lehramtlicher Dokumente der katholischen Kirche geworden. Ebenso können aber auch religionskritische Akteur*innen von außen – ausgehend von dieser inneren Differenz verschiedener religiöser Traditionen innerhalb einer Religion – deren eigene Prämissen kritisch hinterfragen und auf einen ihr scheinbar entgegengesetzten philosophischen Horizont hin öffnen. Ein Klassiker solcher interner Religionskritik aus atheistischer Perspektive war Ernst Blochs „Atheismus im Christentum“, das von dissidenten, aber internen Positionen des Christentums ausging. Für Bloch galt als Maxime seiner von den Prämissen subversiver christlicher Traditionen ausgehenden Kritik: „Nur ein Atheist kann ein guter Christ sein, gewiss aber auch: Nur ein Christ kann ein guter Atheist sein.“[86] Arno Münster, der als Schüler Blochs seine Philosophie vermittelt und weiterentwickelt hat, weist mehrfach auf die starke Resonanz, die dieses Buch in verschiedenen Strömungen christlicher Theologie fand, hin.[87]
Mit diesem letzten Beispiel möchte ich nochmals auf die jeder Religionskritik inhärenten Ambivalenzen hinweisen, die sich nicht in einfache Dichotomien zwischen Kritik von innen und Kritik von außen, zwischen interner und externer Kritik oder gar zwischen positiver und negativer Kritik auflösen lassen. Kritik, zumal Religionskritik bleibt ambivalent, sie unterwirft sich keiner linearen Logik, auch nicht einer scheinbaren Ambiguität, die am Ende doch wieder sich in Eindeutigkeit auflösen ließe. Denn Freiheit von Religion wie Weltanschauung bedeutet immer auch deren innere Freiheit, d.h. die Befreiung zu innerer Vielfältigkeit und Widersprüchlichkeit, die so in der Lage ist, dem kritischen Widerspruch von außen in dialogischer Offenheit zu begegnen.
[1] „krinein“ = scheiden, trennen, unterscheiden, urteilen, … Die vom „krinein“ abgeleitete „Kunst“ zu urteilen, die „kritike techne“ setzt die Fähigkeit voraus, zu unterscheiden und Unterschiede wahrzunehmen.
[2] Vgl. dazu: Gerd Theißen: Die Religion der ersten Christen. Eine Theorie des Urchristentums. Gütersloh 2003 sowie Dieter Sänger: Von der Bestimmtheit des Anfangs. Studien zu Jesus, Paulus und zum frühchristlichen Schriftverständnis. Neukirchen-Vluyn 2007.
[3] Vgl. dazu: Ulrich Berner / Ilinca Tanaseanu-Döbler (Hg.): Religion und Kritik in der Antike. Religionswissenschaftliche Studien 7. Münster 2009.
[4] Ich orientiere mich hier am ästhetischen Begriff der „Ambivalenz“, die im Unterschied zu einer letztlich aufzulösenden „Ambiguität“ der Werte eine Wirklichkeit der unauflösbaren Unentschiedenheit differenter, auch gegensätzlicher Werte, Anschauungen und Realitäten bezeichnet. Vgl. Peter V. Zima: Roman und Ideologie. Zur Sozialgeschichte des modernen Romans. München 1986; Literarische Ästhetik. Methoden und Modelle der Literaturwissenschaft. Tübingen 1995.
[5] Sei es im Bereich des Glaubens, der Ethik oder der Normen. Auf der Konferenz von Grosny wurde eine Klärung einer sunnitischen Identität innerhalb der verschiedenen Ausprägungen der Sunniten versucht: Abschlusserklärung der Konferenz:www.chechnyaconference.org (zuletzt aufgerufen: April 2020)
[6] … ohne hier von einer „Wiederkehr der Religion(en)“ sprechen zu wollen, die doch nur deren reaktionäre Ausformungen restaurieren und ihr kritisch-subversives Potential unterdrücken will.
[7] Auf die inneren Zusammenhänge und Diskrepanzen zwischen heilsgeschichtlichem und säkularisiertem Fortschrittsdenkens macht bereits Adorno in seinen Überlegungen zu Augustinus aufmerksam: „Schon im Augustinischen Theologumenon einer immanenten Bewegung der Gattung auf den seligen Stand hin lag das Motiv unwiderstehlicher Säkularisation.“ (Theodor W. Adorno: Stichworte. Frankfurt/Main 1969, 33). Geht jedoch diese Vorstellung einer schlussendlichen Seligkeit des Menschen verloren, werde die Fortschrittsidee durch die ihr immanente Säkularisierung leicht ziel-los.; siehe: Sylvia Zirden: Theorie des Neuen. Konstruktion einer ungeschriebenen Theorie Adornos. Würzburg 2005,133 f.
[8] Das Adjektiv verwendete Habermas in seiner bekannten Redezur Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels 2001; siehe FN 3.
[9] so Jürgen Habermas in seiner Rede: Glauben und Wissen. In: Friedenspreis des deutschen Buchhandels 2001: Jürgen Habermas, 10 (https://www.friedenspreis-des-deutschen-buchhandels.de/sixcms/media.php/1290/2001_habermas.pdf, zuletzt aufgerufen: März 2020). Hervorhebung durch den Verf.
[10] so die Formulierung im Art. 2 der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“.
[11] Eine andere Struktur zeigt sich in der relativ neuen, dritten Generation der sog. „globalen Rechte“ – wie etwa in einem „Recht auf saubere Umwelt“. Siehe: Antonius Liedhegener / Ines Jacqueline Werkner: Religion und Menschenrechte als sozialphilosophische und politische Herausforderung,11. In: Antonius Liedhegener / Ines Jacqueline Werkner (Hg.): Religion, Menschenrechte und Menschenrechtspolitik. Wiesbaden 2010, 9-23.
[12] So etwa in der Entwicklungsgeschichte der „Bill of Rights“ also der US-Amerikanischen Verfassung. Siehe: Thomas Gerrith Funke: Die Religionsfreiheit im Verfassungsrecht der USA. Historische Entwicklung und Stand der Verfassungsrechtsprechung. Berlin 2006.
[13] Siehe: Liedhegener / Werkner: Religion und Menschenrechte als sozialphilosophische und politische Herausforderung, a.a.O., 12.
[14]Dies betrifft keineswegs nur islamisch geprägte Staaten. Siehe dazu den dritten Teil des Textes.
[15] Walter Reese-Schäfer: Politisches Denken heute. Zivilgesellschaft, Globalisierung und Menschenrechte. München – Wien 2007, 236.
[16] Heiner Bielefeldt: „Westliche“ versus „islamische“ Menschenrechte? Zur Kritik an kulturalistischen Vereinnahmungen der Menschenrechtsidee, 138. In: Ute Gerhard / Mechthild Jansen / Mechthild Rumpf (Hg.): Facetten islamischer Welten. Geschlechterordnung, Frauen- und Menschenrechte in der Diskussion. Bielefeld 2003, 123-142.
[17] John Rawls hat diesen Begriff in seiner „Theory of Justice“ entwickelt, um eine Übereinstimmung in den Prinzipien trotz beträchtlicher Unterschiede in den Konzeptionen zu beschreiben; siehe: John Rawls: A Theory of Justice. Harvard University Press 1971, 1999, 340.
[18] Gerade das Recht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit weist durch den grundrechtlichen Anspruch auf negative Religionsfreiheit ein erhebliches (religions-)kritisches Potential gegenüber staatsreligiösen Toleranzmodellen auf.Bereits die Aufklärung brachte eine innere Kritik und Weiterentwicklung des Toleranzdenkens von einer staatskirchlichen missbilligenden „Duldung“ über die tolerierende Anerkennung bis zum Recht auf Freiheit mit sich; vgl. Abschnitt 2 dieses Textes.
[19] Heiner Bielefeldt / Josef P. Mautner: Die subversive Kraft der Menschenrechte. Lokale Menschenrechtspraxis im internationalen Zusammenhang. Ein Gespräch, 301/302. In: Josef P. Mautner (Hg.): Regionale Menschenrechtspraxis. Herausforderungen – Antworten – Perspektiven. Wien – Berlin 2018, 297-315.
[20] Siehe: Heiner Bielefeldt: Menschenrechte in der Einwanderungsgesellschaft. Plädoyer für einen aufgeklärten Multikulturalismus. Bielefeld 2007, 26 f.
[21] Heiner Bielefeldt: Streit um die Religionsfreiheit. Aktuelle Facetten der internationalen Debatte. Erlanger Universitätsreden Nr. 77/2012, 3. Folge, 13.
[22] Gegen eine derart offene Darstellung des Gegenstandsbereiches ließe sich einwenden, dass sie einer inflationären und satirischen Beanspruchung des Rechtes Tür und Tor öffnen kann. Dagegen hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Rechtsprechung bereits 1982 vier Kriterien angeführt, die durch das Recht geschützte Überzeugungen aufweisen müssen: „(…) a certain level of cogency, seriousness, cohesion and importance“. (EGMR zu Campbell & Cosans v. United Kingdom (appl. 7511/76 & 7743/76) vom 25.2.1982.
[23] Georg Jellinek: Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte. Ein Beitrag zur modernen Verfassungsgeschichte. München – Leipzig 1859.
[24] Ebda., 57.
[25] Hans Joas: Die Sakralität der Person: Eine neue Genealogie der Menschenrechte. Frankfurt/,011, 49
[26]Ebda. Insgesamt ist die Grundrechtsentwicklung in Bezug auf die Religionsfreiheit in den USA – nicht zuletzt im Hinblick auf das Verhältnis zwischen dem Bund und den Gliedstaaten – komplex und kann hier nicht näher erörtert werden. Siehe: Günter Krings: Supreme Court gegen Kongreß. Der Streit um den Inhalt der Religionsfreiheit in den USA. Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. https://www.zaoerv.de/58_1998/58_1998_1_a_147_180.pdf (zuletzt aufgerufen: März 2020), 148 ff.
[27] Die Zusatzartikel I – X traten 1791, also zwei Jahre nach der Ratifizierung der Verfassung in Kraft. Die zitierte Passage umfasst den ersten Halbsatz des ersten Artikels.
[28] Vgl. Günter Krings: Supreme Court gegen Kongreß, ebda.
[29] Siehe: Richard Potz: Zur Geschichte der Religionsfreiheit, 60f. In: Ernst Fürlinger (Hg.): Die Freiheit der Religion. Ein klassisches Menschenrecht in der Kontroverse. Reihe Religion und Globalisierung. Krems 2017, 51-66.
[30] So sah das Toleranzpatent von Joseph II. von 1781 nur eine Duldung der Religionsausübung für die im Westfälischen Frieden anerkannten evangelischen Kirchen und die Orthodoxe Kirche vor. Die Böhmischen Brüder blieben ausgeschlossen, Juden und Freimaurer wurden erst in den folgenden Patenten von 1782 und 1785 legalisiert. Siehe: Louise Hecht: Toleranzpatente. In: Dan Diner (Hg.): Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur (EJGK). Band 6. Stuttgart – Weimar 2015, 137–141.
[31] Hans-Rudolf Guggisberg (Hg.): Religiöse Toleranz. Dokumente zur Geschichte einer Forderung. Stuttgart – Bad Cannstatt 1984, 289.
[32]„Niemand soll wegen seiner Anschauungen, selbst religiöser Art, belangt werden, solange deren Äußerung nicht die durch das Gesetz begründete öffentliche Ordnung stört.“ Zur Entwicklung der weiteren Konstitutionen bis 1840 siehe: Barbara Dölemeyer: Rechte religiöser Minderheiten in Deutschland und Frankreich in historischer Sicht, 24f. In: Hartmut Lehmann (Hg.): Multireligiosität im vereinten Europa. Historische und juristische Aspekte. Göttingen 2003, 16-29.
[33] Der „Comment“ hält auch nochmals ausdrücklich fest: „Die Ausdrücke ‚Weltanschauung‘ oder ‚Religion‘ müssen in weitem Sinne ausgelegt werden. Artikel 18 beschränkt sich in seiner Anwendung nicht auf traditionelle Religionen und Weltanschauungen (…)“ UN-Menschenrechtsausschuss, General Comment Nr. 22, Abschnitt 2. Deutsches Institut für Menschenrechte (Hg.): Die „General Comments“ zu den UN-Menschenrechtsverträgen. Deutsche Übersetzung und Kurzeinführungen. Baden-Baden 2005, 92 (leichte Änderungen der deutschen Übersetzung stammen von Heiner Bielefeldt).
[34] Heiner Bielefeldt: Die Religionsfreiheit in der UN-Menschenrechtserklärung. In: Ökumenisches Forum für Glauben, Religion und Gesellschaft in Ost und West. 12/2018, 4-7.
[35] Siehe: Antje von Ungern-Sternberg: Religionsfreiheit in Europa. Die Freiheit individueller Religionsausübung in Großbritannien, Frankreich und Deutschland – ein Vergleich. Jus Ecclesiasticum. Beiträge zum evangelischen Kirchenrecht und zum Staatskirchenrecht, Bd. 86. Tübingen 2008, 331f.
[36]Hannah Arendt: Gäste aus dem Niemandsland, S. 151. In: Eike Geisel/Klaus Bittermann (Hg.): Hannah Arendt. Nach Auschwitz. Essays & Kommentare 1. Berlin 1989, 150-153. (zuerst erschienen in: Aufbau, 30. Juni 1944).
[37] Insofern kann Toleranzpolitik zum Instrument politischer bzw. staatlicher Repression werden; hier sehe ich Analogien zum Begriff der „repressiven Toleranz“; siehe: Herbert Marcuse: Kritik der reinen Toleranz. Frankfurt/Main 1966.
[38] Die Ausrichtung dieser begrifflichen Metaphorik orientiert sich am Modell der „Psychoökonomie“, wie es Sigmund Freud in seiner „Metapsychologie“ der Verdrängungsleistungen entwickelt hat. Siehe: Sigmund Freud: Die Verdrängung. In: Das Unbewußte. Schriften zur Psychoanalyse. Frankfurt/Main 1963, 69.
[39] Vgl. Mathias Rohe: Das islamische Recht. Geschichte und Gegenwart. München 2011.
[40] „Authorities continued to enforce the Supreme Court’s 2017 ruling that criminalized the activity of Jehovah’s Witnesses as “extremist” and reportedly detained at least 47 Witnesses and put 72 under investigation.“ US-Department of State: Annual Report on International Religious Freedom 2018: Russia. https://www.state.gov/reports/2018-report-on-international-religious-freedom/russia/ (zuletzt aufgerufen: März 2020).
[41]Offiziell anerkannt sind: Taoismus, Buddhismus, Islam, Katholizismus und Protestantismus. Aber: „Multiple media and NGOs estimated that since April 2017, the government detained at least 800,000 and up to possibly more than 2 million Uighurs, ethnic Kazakhs, and members of other Muslim groups (…)“ US-Department of State: Annual Report on International Religious Freedom 2018: China. https://www.state.gov/reports/2018-report-on-international-religious-freedom/china-includes-tibet-xinjiang-hong-kong-and-macau/ (zuletzt aufgerufen: März 2020).
[42] Auch auf die Entwicklung der philosophischen Grundlagen der Menschenrechte wie der Religionskritik kann hier nicht näher eingegangen werden. Ich verweise für die Menschenrechte auf den Sammelband Georg Lohmann / Stefan Gosepath (Hg.): Philosophie der Menschenrechte. Frankfurt/Main 1998 sowie Heiner Bielefeldt: Philosophie der Menschenrechte. Grundlagen eines weltweiten Freiheitsethos. Darmstadt 1998.
[43] Immanuel Kant: Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? Berlinische Monatsschrift 1784, 12. Stück December. http://www.deutschestextarchiv.de/book/view/kant_aufklaerung_1784?p=17(zuletzt aufgerufen: März 2020).
[44]Schon damals gab es nicht die eine Religion, sondern auch das Christentum als vorherrschendes Gegenüber der aufklärerischen Religionskritik (neben den Minderheitsreligionen Judentum und Islam) war ausdifferenziert in versch. Ausformungen des Katholizismus sowie des Protestantismus in Europa.
[45] Die Unterscheidung zwischen „extern“ und „intern“ charakterisiert hier die Prämissen und Verstehensvoraussetzungen, auf die Religionskritik Bezug nimmt.
[46] Siehe: Michael Hofmann / Carsten Zelle: Einleitung: Aufklärung und Religion – Neue Perspektiven, 7f. In: Michael Hofmann / Carsten Zelle (Hgh.): Aufklärung und Religion. Neue Perspektiven. Hannover 2010, 7-14. Auch im deutschen Sprachraum fand sich die Strömung einer radikal antiklerikalen und atheistischen Religionskritik – etwa im „Traktat über die drei Betrüger“, das dem Hamburger Juristen Johannes Joachim Müller zugeschrieben wird.
[47] Voltaire: Recht und Politik. Schriften, Bd. 1, hg. von Günther Mensching, Frankfurt/Main 1978, 238f.
[48]Das Stück „Le Ciel est pour tous“ von Catherine Anne nimmt Bezug auf den Fall Calas und transponiert die Problematik innerfamiliärer religiös-weltanschaulicher Konflikte in eine säkulare Gegenwartsgesellschaft sowie in die Konfliktlinien einer religions- und kulturverschiedenen Familie.
[49]… um eine Formulierung von Max Scheler aufzugreifen Siehe: Michael Gabel: Transzendenz und Leiblichkeit, 116f. In: Ralf Becker / Ernst Wolfgang Orth (Hg.): Religion und Metaphysik als Dimensionen der Kultur. Würzburg 2011, 109-122.
[50]Siehe: Volker Frey: Religiöse Bekleidung und Symbole in der Arbeitswelt und im Bildungsbereich. In Josef Mautner (Hg.): Regionale Menschenrechtspraxis. Herausforderungen – Antworten – Perspektiven. Wien – Berlin 2018, 28-37.
[51] Andrea Ludwig: Erfahrungen mit der rechtlichen Bekämpfung von (grund)rechtswidrigen Verboten religiöser Symbole. Ein Plädoyer für differenzierte Betrachtung, Rechtsstaatlichkeit und Dialog, 152. In: Mautner(Hg.): Regionale Menschenrechtspraxis, a.a.O., 151-162.
[52] Siehe: Giovanni Boccaccio: Das Decameron. Berlin o.J., 26-28. Die Ringparabel dürfte auf eine Erzählung aus der jüdischen Überlieferung zurückgehen, evtl. auf Maimonides. Siehe: Friedrich Niewöhner: Veritas sive Varietas. Lessings Toleranzparabel und das Buch von den drei Betrügern. Heidelberg 1988.
[53] Der Bericht vom Pogrom weist Parallelen zum Buch Hiob auf: Nathan verliert wie Hiob sieben Söhne und beide hadern wegen ihres Unglücks mit Gott; siehe: Friedhelm Zubke: Motive moralischen Handelns in Lessings „Nathan der Weise“. Göttingen 2008, 41f.
[54] Gotthold Ephraim Lessings sämmtliche Schriften, hg. von Karl Lachmann. Zweiter Band. Berlin 1838: Nathan der Weise. Dritter Aufzug, fünfter Auftritt, 275.
[55]Ebda.(Zweiter Aufzug, fünfter Auftritt), 250.
[56]Ebda., 275.
[57] Daniel C. Dennett: The Bright Stuff. In: The New York Times, July 12, 2003.
[58] Ebda.
[59] Peter Strasser: Warum überhaupt Religion? Der Gott, der Richard Dawkins schuf. München und Paderborn 2008.
[60] Peter Strasser: Verletzte Gefühle und helle Köpfe. Ein Plädoyer für Begriffsstutzigkeit, 21. In: Rudolf Langthaler / Kurt Appel (Hg.): Dawkins‘ Gotteswahn. 15 kritische Antworten auf seine atheistische Mission. Wien – Köln – Weimar 2010, 13-30.
[61]wie die „Organisation der Islamischen Konferenz“ (OIC) Mitte Mai 2007 verkündete; siehe: Siraj Wahab: Islamophobia worst form of Terrorism. In: Arab News. The Middle East’s Leading English Daily, 17.05.2007.http://arabnews.com/services/ print/print.asp?artid=96276&d=17&m=5&y=2007&hl=%91Islamophobia%20 Worst%20Form%20of%20Terrorism%92 (zuletzt aufgerufen: 27.05.2007).
[62] So Hamed Abdel-Samad in seinem Bestseller: Der islamische Faschismus. Eine Analyse. München 2014.
[63]Ich beziehe mich hier v.a. auf die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte im Islam“ des „Islamrates für Europa“ vom 19.9.1981, die „Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam“ der „Organisation der Islamischen Konferenz“ (Organization of the Islamic Conference OIC), vom 5.8.1990. Eine andere Stellung nimmt die „Arabische Charta der Menschenrechte“ des „Rates der Arabischen Liga“ vom 15. September 1994 ein. Im Jahre 2004 wurde eine überarbeitete Version angenommen, die 2008 rechtswirksam wurde.
[64]Hans Zirker: Die Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam, 65. In: Moslemische Revue 21, 76. Jg., Jan-März 2000, 54-66.
[65] Eine systematisierende Übersicht der Kritik gibt: Elisabeth Schirrmacher: Islamische Menschenrechtserklärungen und ihre Kritiker. Einwände von Muslimen und NIchtsmuslimen gegen die Allgültigkeit der Scharia. (Rechtspolitisches Forum 39) Trier: Institut für Rechtspolitik an der Universität Trier. https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-316978 (zuletzt aufgerufen: April 2020).
[66] Siehe: https://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/Strikingabalancebetweenfreedomofexpression.aspx (zuletzt aufgerufen: April 2020).
[67] U.a. in: Heiner Bielefeldt: Freedom of Religion or Belief – A Human Right under Pressure. OJLR 1/1 (2012).
[68]Ulrich Vogt: Die Demokratisierungsdebatte, 284. In: Sigrid Faath (Hg.): Politische und gesellschaftliche Debatten in Nordafrika, Nah- und Mittelost. (Deutsches Orient-Institut) Hamburg, 2004, 273-294. Diese intellektuellen Kritiker*innen lassen sich wiederum unterscheiden in solche, die Konzepte einer prinzipiellen Vereinbarkeit zwischen Islam und Menschenrechten vorlegen (etwa Shirin Ebadi oder Abdolkarim Soroush), und solchen, die eine prinzipielle Unvereinbarkeit postulieren (etwa Mahmud Muhammad Taha oder Taslima Nasrin).
[69] Siehe: Carsten Jürgensen: Die Menschenrechtsdebatte, 296. In: Sigrid Faath (Hg.): Politische und gesellschaftliche Debatten in Nordafrika, Nah- und Mittelost. (Deutsches Orient-Institut) Hamburg, 2004, 295-318.
[70]… ohne dabei die Kritik an ihrer Praxis (fehlende Strafverfolgung der Täter, zu enge Definition von Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen, zeitliche Begrenzung des Untersuchungszeitraumes, …) außer Acht zu lassen. Siehe dazu: Alfred Hackensberger: Auf die Erinnerung der Opfer angewiesen. https://www.heise.de/tp/features/Auf-die-Erinnerung-der-Opfer-angewiesen-3404802.html (zuletzt aufgerufen: April 2020); Schirrmacher, Islamische Menschenrechtserklärungen und ihre Kritiker, a.a.O., 31ff.
[71]Bei den Verhandlungen in der Entstehungsgeschichte der „Allgemeinen Erklärung“ vor 1948 traten die Delegierten mehrerer christlich orientierter Staaten (Brasilien oder Niederlande z.B.) dafür ein, Gott als Ursprung menschlicher Existenz und den darin zu begründenden übergreifenden Anspruch göttlichen Rechts in die Erklärung aufzunehmen. Sie haben sich nicht durchgesetzt. Siehe: Markus Kotzur: 60 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte Reflexionen zur Entstehungsgeschichte, Ideengeschichte und Wirkungsgeschichte. In: MRM – MenschenRechtsMAgazin Heft 2 / 2008,184-196 https://publishup.uni-potsdam.de/opus4-ubp/frontdoor/deliver/index/docId/3419/file/mrm13_02_online_2009_09_15.pdf (zuletzt aufgerufen: April 2020).
[72] Frank Griffel: Den Islam denken. Versuch, eine Religion zu verstehen. Stuttgart 2018, 38.
[73] „Sie ist nicht durch ihren Inhalt interessant, bei diesem kann man nicht stehenbleiben; es ist keine Philosophie, sondern eigentliche Manier.“ (Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Zweiter und dritter Teil. Berlin 2013, 23)
[74] So etwa in seiner Studie zu Averroes und dem Averroismus: Ernest Renan: Averroès et l’averroism. Essai historique. 3. Ed. Paris 1866 (Erstveröffentlichung 1852) oder in seinem Disput mit Jamal al-Din al-Afghani 1883: „In den mahomedanischen Ländern hat sich das ereignet, was sich in Europa erfüllt hätte, wenn es der Inquisition, wenn es Philipp II. und Pius V. gelungen wäre, den Menschengeist zum Stillstand zu zwingen.“ In: Der Islam und die Wissenschaft. Der Disput zwischen Ernest Renan und Jamal al-Din al-Afghani 1883, in: Themenportal Europäische Geschichte, 2007, <www.europa.clio-online.de/quelle/id/q63-28343>.
[75]Frank Griffel bescheinigt Renans Averroes-Studie „a strong colonial subtext that aims at legitimizing the political subjugation of muslims under the banner of a European nation that embodies the philosophical spirit of the Enlightenment.“ (gemeint ist u.a. der Ägypten-Feldzug Napoleons 1798). In: Frank Griffel: „… and the killing of someone who upholds these convictions is obligarory!“ Religious Law and the Assumed Disappearence of Philosophy in Islam, 217/218. In: Andreas Speer (Hg.): Das Gesetz -The Law – La Loi. Miscellanea Mediaevalia, Bd. 38. Berlin – Boston 2014, 214-226.
[76] Der Islamexperte Frank Griffel belegt in seinem Essay im Detail die sehr lebendige Weiterentwicklung der arabisch-islamischen Philosophie nach Averroes. Siehe dazu: Griffel, Den Islam denken, a.a.O., 48 ff. Auch: Griffel, „… and the killing of someone who upholds these convictions is obligarory!“ A.a.O., 217 ff.
[77] Beispiele dafür bieten die Haféz-Übersetzungen des österreichischen Orientalisten Joseph von Hammer-Purgstall, Goethes „West-östlicher Diwan“ oder die Übersetzungen altorientalischer Gedichte von Friedrich Rückert.
[78]Diese Vorstellung gipfelte während des 19. Jahrhunderts im europäischen Diskurs zur sog. „orientalischen Frage“: Stefan Weidner: Die orientalische Frage. In: Lettre International 128, Frühjahr 2020, 70-74.
[79]„Antisemiten, nicht Judenfeinde sind wir, weil inmitten einer christlichen Welt die Juden asiatische Heiden sind.“ (Paul de Lagarde: Stellung (1881); zitiert nach: Ina Ulrike Paul: Paul Anton de Lagarde, 71. In: Uwe Puschner / Walter Schmitz / Justus H. Ulbricht (Hg.): Handbuch zur „Völkischen Bewegung“ 1871-1918. München – New Providence – London – Paris 1996, 45-93.
[80]Les mille et une nuits: contes arabes. 12 Bände. Paris 1704–1708. Erste deutsche Übersetzung durch Johann Heinrich Voß: Die tausend und eine Nacht arabische Erzählungen. 6 Bände. Bremen 1781–85. Volltext als pdf: https://epub.ub.uni-muenchen.de/12193/ (zuletzt aufgerufen: April 2020).
[81] Vgl.: Weidner: Die orientalische Frage, a.a.O., 71.
[82]’Abd al-Hakeem Carney: Was ist politischer Islam? Plädoyer für eine Neuklassifizierung 229. In: IFSH (Hrsg.): OSZE-Jahrbuch 2003. Baden-Baden 2003, S. 221-230. Ich verweise zu einer kritisch-differenzierenden Auseinandersetzung mit den gängigen Begriffen auf diesen instruktiven Aufsatz!
[83] Ich beziehe mich bei den folgenden Kategorisierungen tw. auf Michael Quante: Religionskritik. Preprints and Working Papers of the Centre for Advanced Study in Bioethics Münster 2014/68 2.https://www.uni-muenster.de/imperia/md/content/kfg-normenbegruendung/intern/publikationen/quante/68_quante_-_religionskritik.pdf(zuletzt aufgerufen: April 2020).
[84] Diese Form der Neutralität hat nichts mit einer Werteindifferenz zu tun, in der sich ein Rechtsstaat auf die Funktion einer Regelungs- und Versorgungsinstanz ohne jegliche Normsetzung zurückziehen würde. Dem stehen in den europäischen Staaten schon die jeweiligen Verfassungsbestimmungenen sowie die Bindungen an die „Europäische Menschenrechtskonvention“ sowie den „Internationalen Pakt über politische und bürgerliche Rechte“ entgegen.
[85] Bielefeldt, Menschenrechte in der Einwanderungsgesellschaft, a.a.O., 79.
[86] Ernst Bloch: Atheismus im Christentum. Frankfurt/Main 1980, 24.
[87]„‘Atheismus im Christentum‘, ein Buch, das zum Beispiel in Lateinamerika eine ganz außerordentliche Resonanz fand, einfach deswegen, weil es dort ja eben die Theologie der Befreiung gab und die begeistert diese Bloch’schen Theorien aufgenommen hat. In dieser Weise ist Bloch sozusagen ein Vorläufer, ein Vordenker jener Theologie der Befreiung, die dann eben in diesen Ländern Lateinamerikas, in Brasilien, Nicaragua und so weiter ganz groß aufgegangen ist.“ Ernst Bloch war ein Ketzer. Interview mit Arno Münster. https://www.deutschlandfunkkultur.de/ernst-bloch-war-ein-ketzer.954.de.html?dram:article_id=145432 (zuletzt aufgerufen: April 2020). Ebenso haben wiederum andere Strömungen der Befreiungstheologie dem marxistischen Ansatz von Bloch kritisch dessen eurozentrische Fortschrittsperspektive vorgeworfen, in der etwa indigene Kosmovisionen keinen Platz finden.